Anständig essen
entsprechen, dass in großem Stil Tiere gequält werden.«
Allmählich komme ich in Fahrt. Ich will meinen Schwager noch fragen, ob er sich denn wirklich bewusst dafür entschieden hätte, das zu essen, was er isst, ob er meint, dass hier am Tisch überhaupt ein Einziger sitze, der darüber tatsächlich einmal eine Entscheidung getroffen hat, oder ob hier alle einfach das essen, was ihnen vorgesetzt wird, was schon ihre Eltern aßen und ihre Großeltern, ohne es je zu hinterfragen. Ichwill noch sagen, dass Landwirtschaftsminister heutzutage nicht mehr einer der mittelwichtigen Ministerposten ist, sondern dass da jetzt plötzlich Entscheidungen getroffen werden, die von globaler Tragweite sind. Dass in Mallorca und Frankreich und Südamerika und was weiß ich noch wo bereits die Leute absaufen und dass es doch eigentlich ein Jammer sei, einen kompletten Planeten dem Untergang preiszugeben, bloß weil man es sich nicht mit den Bauern verscherzen will. Aber die Frau meines Bruders klopft mir bereits seit einer halben Minute mit dem Finger auf den nackten Unterarm.
»Du, Johann hat mal eine Frage.«
Ich beuge mich zu meinem kleinen Neffen hinüber.
Johann möchte wissen, ob er von dem Rübensirup etwas nehmen darf, den ich mir mitgebracht habe, damit ich veganes Toastbrot mit Margarine und Rübensirup essen kann, während die anderen sich über die Kuchenplatte hermachen.
»Na klar«, sage ich, »hau rein. Da brauchst du nicht zu fragen.«
Jetzt wollen natürlich auch meine Nichte und mein zweiter Neffe Rübensirup. Das Gespräch dreht sich inzwischen um die Polenreise, die meine Schwester mit ihrem Mann gemacht hat. Meine Mutter kommt mit einer Schale selbst gemachter Roter Grütze.
»Die darfst du wahrscheinlich auch nicht essen, nicht wahr?«, fragt sie mit resigniertem Gesicht. Durch die Verweigerung fast sämtlicher angebotener Nahrungsmittel habe ich meine Mutter unglücklicher gemacht, als es mir durch exzentrische Partnerwahl oder aussichtslose Berufe je gelungen ist. Ich denke kurz nach – ja, tatsächlich, Rote Grütze geht. Beglückt läuft meine Mutter in die Küche zurück und kommt mit einem Tetrapack Milch wieder.
»Die kannst du dazu trinken. Die darfst du, die hat nur 0,5 % Fett.«
Abends steht eine große Fischplatte auf dem Tisch.
»Hm, sieht schlecht aus für dich«, sagt mein Bruder und lacht. Für meine Familie ist Veganismus nicht eine dringend gebotene Lebensweise, um Umweltzerstörung zu vermeiden und Grausamkeit zu verhindern, sondern mein persönliches, bedauerliches Problem. Meine Mutter will mir wieder ein Schüsselchen Rote Grütze auf den Teller stellen, aber fürs Abendbrot habe ich vorgesorgt und mir ein veganes Wiener Schnitzel mitgebracht, das ich mir jetzt in der Küche brutzle. Das Wiener Schnitzel aus Weizeneiweiß ist mit Abstand der überzeugendste Fleischersatz, den ich bisher probiert habe. Nicht, dass der Geschmack auch nur im Entferntesten irgendetwas mit einem Wiener Schnitzel zu tun hätte – aber wenn man sich von dieser Erwartungshaltung einmal löst, schmeckt es ganz hervorragend. Meine Mutter findet sogar noch eine süßsaure Soße von Uncle Ben, die laut Flaschenaufdruck vegan zu sein scheint. Die brate ich gleich mit. Als Beilage gibt es einen knallgrünen japanischen Algensalat. Als ich damit zum Abendbrottisch komme, schreien natürlich sofort alle Kinder, dass sie auch so etwas essen wollen. Ich reiche den Teller einmal rund um den Tisch, und alle außer meinem Schwager, dem Landwirtschaftsminister, probieren davon. Die Kinder äußern sich lautstark und enthusiastisch, die Erwachsenen nicken erstaunt und anerkennend. Das vegane Wiener Schnitzel ist schon sehr gut.
Später geht es dann noch einmal um Kühe, darum, wie sie gehalten werden, und mein Schwager wird etwas lauter, als ich es in Zweifel ziehe, dass es den Milchkühen seit 1950 kontinuierlich besser gehe.
»Das kannst du mir schon glauben, dass ich das weiß, ich habe mich mein Leben lang mit Milchwirtschaft beschäftigt, und Kühe sind früher alle in Anbindehaltung gehalten worden, und heute gibt es fast überall Laufställe, nur noch die ganz kleinen Betriebe haben Anbindehaltung und das erlaubt man denen auch nur, um sie nicht kaputt zu machen.«
»Und – kommen die auch mal raus aus ihrer tollen Laufstallhaltung? Kommen die im Sommer auch mal auf die Wiese?«, keife ich.
»Einige ja, einige nicht«, sagt der Landwirtschaftsminister jetzt wieder völlig ruhig.
Laufstall-Kühe werden in
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