Anständig essen
Auf dem Burger, zwischen lauter Soße und Gurke und Ersatz-Hack, schmeckt der vegane Käse tatsächlich wie Käse, ganz okay eigentlich. Die Currywurst geht so, der Ketchup ist milder Bio-Tomatenketchup – mit ein bisschen Curry-Pulver überstäubt. Das ist ja nun nicht das, was ich unter einem guten Curry-Ketchup verstehe. Die Pommes frites sind dünn und schrumpelig.
»Schade um die schönen Bio-Kartoffeln«, sagt Jiminy.
Ich schiebe den Teller zur Seite. Plötzlich habe ich einen wahnsinnigen Appetit auf ein Steak. Mir ist absolut bewusst, was einem Rind dafür angetan wird. Ich habe auch parat, was die ökologischen Folgen sind. Mir ist völlig klar, wie unentschuldbar es wäre, so etwas zu tun,aber offenbar spielt der Egoismus eine größere Rolle in meinem Leben als mir lieb ist. Ich bin wie ein psychopathischer Mörder, der das Verwerfliche seiner Taten eingesehen und Besserung gelobt hat, und der jetzt trotzdem unbedingt wieder ein Stück aus einem lebendigen Körper in seinen Mund stopfen und darauf herumkauen will. Und die Versuchung, die schreckliche Versuchung, die darin liegt, dass niemand in meinem näheren Bekanntenkreis in mir den Mörder erkennen würde. Alle fänden es völlig in Ordnung, wenn sie mich mit einem Stück Fleisch im Mund antreffen würden. Auch mit den deutschen Gesetzen würde es nicht kollidieren. Nicht einmal mit dem Tierschutzgesetz. Niemand außer mir selber wüsste, was für ein abscheulicher Verbrecher ich bin. Dabei anständig zu bleiben ist schwer, das ist so gottverdammt schwer! Allerdings würde Jiminy es wissen.
»Weißt du, worauf ich jetzt Appetit hätte?«, sagt Jiminy. »Auf richtige Frikadellen, wie sie meine Mutter immer macht.«
»Das sagst du jetzt ja wohl nicht im Ernst? Frikadellen? Wer hat mir denn früher immer die Vorträge über Qualfleisch gehalten?«
»Ist ja schon gut«, murmelt Jiminy mit gesenktem Kopf.
Ende Juli lösen die stärksten Monsunregenfälle seit mehr als achtzig Jahren in Pakistan eine Flutkatastrophe aus. Indus und Swat treten über die Ufer und zerstören Brücken, Straßen und Felder. Sechsunddreißig Distrikte werden überschwemmt. Das Wasser steht teilweise bis zu fünf Meter hoch. Mehr als eine Million Einwohner sind davon betroffen. Weil das Adjektiv »sintflutartig« in diesem Jahr schon im Zusammenhang mit den ungeheuren Regenfällen in Mallorca, Frankreich, China, Mexico und so weiter und so fort überstrapaziert worden ist, und man es in Pakistan mit einer noch gewaltigeren Dimension zu tun hat, wird in den Nachrichten jetzt von apokalyptischen Regenfällen und Zuständen gesprochen.
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12
August – am vegansten
»… der Mensch hat doch, was Tiere betrifft, keinerlei Pflichten.«
(Pius IX., Papst von 1846–1878)
»Spanier sind fromme Christen,
gegen Satan sind immun sie,
trotzen mancherlei Gelüsten,
aber Tiere quälen tun sie.
Tiere haben keine Seele,
so wird nämlich dort gepredigt,
drum ist’s gut, dass man sie quäle,
bis sie tot sind und erledigt.«
(Heinz Erhardt)
Vorgabe: Keine Ausnahmen mehr. Jetzt muss alles vegan sein.
Noch mehr Hitzerekorde: Der Juli ist weltweit der viertheißeste Juli gewesen seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen vor 130 Jahren. In Russland werden die heißesten Temperaturen gemessen, die dort jemals aufgezeichnet worden sind. Am 2. August hat es in Woronesch 44 Grad Celsius. Ein Nebenfluss der Wolga ist komplett ausgetrocknet. Mehrere Hundert Wald- und Torfmoorbrände sind ausgebrochen, teilweise in der Nähe von Moskau. Putin erfindet das Life-Dokudrama:Er lässt sich für die Fernsehnachrichten in einem Birkenwald filmen, wie er mit dem Handy weitere Hilfskräfte ordert. Gegenschnitt: In einem Büro sitzt der russische Präsident Medwedew mit dem Telefonhörer am Ohr und sichert Putin so viel Mann zu, wie er haben will. In Pakistan regnet es weiter. Die Überschwemmungen wandern den Indus entlang Richtung Süden. Inzwischen sind drei Millionen Menschen von den Überflutungen betroffen. Auch in Polen, Tschechien, Bayern und Ost-Sachsen gibt es jetzt Überschwemmungen. Mancherorts fallen mehr als 50 l Regen pro qm. In Polen gibt es acht Tote. Die Witka-Staumauer ist gebrochen. In Deutschland ertrinken drei Rentner im eigenen Keller. Aus Teilen der Grenzstadt Görlitz müssen Tausende evakuiert werden. Von den Autos schauen nur noch die Antennen aus dem Wasser. Der Pegel der Neiße steht in Görlitz bei 7,07 m. Normal wäre 1,70 m.
Die neuerlichen Hitzerekorde und
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