Anthologie - Das Ginsterbett
Eva. Und dazu dieser fragende Ausdruck in ihren Augen. Bist du nicht froh, mich zu sehen? Komme ich ungelegen? Habe ich etwas Dummes gesagt? Olle lachte sie an. Eine Hand in der Tasche, die andere ruhte für einen Augenblick auf ihrem Arm.
»Du ißt doch mit uns?«
»Leider. Ich komme nicht dazu. Ich wollte nur schnell hereinschauen. Es ist lange her, seit ich Eva getroffen habe.«
Und nun wieder die Augen. Fragend, zaudernd. Eva fühlte, daß sie errötete. Sie war gezwungen, für beide zu entscheiden.
»Du bleibst natürlich. Du verstehst, daß wir sonst verletzt wären.«
Olles Arm spielerisch um ihre Schultern, die andere Hand in der Tasche. Ein Wort tauchte von irgendwo auf, und sie wandte den Blick weg. Sein Schwanz stand. Aber Marianne glitt aus seiner scherzhaften Umarmung heraus, machte einige Schritte zum Fenster hin. Blieb stehen. Die Brust in der Silhouette, der Rock kurz, die Hand auf der Hüfte.
»Rektorskanzlei. Das klingt irgendwie trist. Ist es nicht so? Das sieht hier nicht aus wie eine Rektorskanzlei.«
Olle lachte.
»Es sieht zu flott aus. Die Möbel. Der Teppich. Der Raum. Finde ich.«
»Olle ordnet das für sich.«
Das klang falsch. Boshaft. Marianne sprach weiter, aber man merkte, daß sie an etwas anderes dachte. Olle wandte sich zu Eva.
»Ihr könnt wohl vorausgehen. Ich habe einen Jungen hier, mit dem ich reden muß. Können wir sagen, wir essen um sechs?«
Marianne saß bequem zurückgelehnt in einem Sofa, der Rock war halb über die Schenkel gerutscht. Andächtig blies sie einen langen, dünnen Rauchstrahl von sich und blickte ihn mit halb geschlossenen Augen an. Wachsam jetzt, oder ist es Einbildung? Plötzlich beugte sie sich vor. Ihr Blick war ernst, die Stimme ruhig.
»Du hast dich nicht verändert.«
Eva lächelte sie an. Was sagt man darauf?
»Es ist schon eine Ewigkeit her.«
Schulzeit, Mädchenzeit. All diese endlosen Sonntage. Die Einsamkeit. Und Marianne – die Verliebtheit, die sie entzündete und alles ins Gegenteil verwandelte: Liebe in Scham, in Zärtlichkeit, in Brunst, in Verzweiflung, in Liebe. Liebe.
Das erstemal war sie sechzehn Jahre. Ein Sonntagabend, sie waren zu Hause bei Marianne, und sie waren allein. Die andern Zimmer waren still und leer. Sie rauchten, und Marianne weihte sie ein. Sie saß auf dem Bett, die Lampe über dem Kissen war eingeschaltet. Die Beine überkreuzt. Das lange Haar, die weichen Lippen, die glänzenden Augen.
»Es konnte ja nichts geschehen. Nichts Gefährliches. Er machte es von außen. Es war schön. Findest du, daß ich schrecklich bin?«
Sie machte einen Zug an der Zigarette, um ihre plötzliche Errötung zu verbergen. Evas Körper war plötzlich etwas merkwürdig Lebendes für sie, etwas, das unter Mariannes Blicken wuchs. Eine schwere, saugende Angst zwischen den Beinen, die steifen Brustwarzen kitzelten. Mariannes Hände, die sich die ganze Zeit schnell und leicht bewegten.
Sie war gezwungen, etwas zu sagen, um ihre Gleichgültigkeit zu zeigen.
»Wie heißt er?«
Marianne lachte nur. Ein helles, überlegenes Lachen. Zigarettenrauch.
»Es spielt doch keine Rolle, wie er heißt. Er ist verheiratet mit allem Drum und Dran. Verteufelt nette Frau. Und zwei Kinder. Sie haben draußen gemietet, und er kam herauf, um das Telefon zu leihen. Ich war allein zu Hause. Er war schrecklich nett. Er sah gut aus. Und dann hat er mich geküßt. Ich war unten am Strand gewesen und war gerade heraufgekommen, als er anklopfte. Nur in Shorts und einem Hemd, so stand ich vor ihm – und er küßte mich. Biß mich in die Zunge. Mein Gott, was ich für eine Angst bekam. So bin ich früher nie geküßt worden. Nicht auf diese Weise. Und dann auf dem Sofa – du mußt mir versprechen, es niemand zu sagen. Versprich es. Er küßte mich auf den Hals, und dann knöpfte er vorne auf und küßte mich auf die Brust. Schleckte auf ihr. Mein Gott. Ich wurde vollständig verrückt. Er kümmerte sich nicht darum, daß ich nein sagte. Ich habe geglaubt, er wird mich vergewaltigen. Er küßte mich überall.Ich konnte ihn nicht daran hindern. Überall. Und er war frech zu mir. Ich werde rot, wenn ich nur daran denke. Er sagte, ich habe eine schöne Fotze. Eine geile und herrlich kleine Fotze. Er versuchte, mir die Hose auszuziehen, ich ließ es nicht zu. Und dann nahm er ihn hervor.«
Eva zitterte am ganzen Körper. Die Worte entzündeten heiße, strömende Flammen in ihrer Brust und in ihrem Schoß, und sie nahm sie widerstandslos in sich auf mit dem
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