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Anthologie - Das Lustbett

Anthologie - Das Lustbett

Titel: Anthologie - Das Lustbett Kostenlos Bücher Online Lesen
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ist aber lange her!Übrigens, haben Sie Ihr Schloß schon zurückgekriegt?«
    Er ging sofort auf das Stichwort ein, und wir waren plötzlich gute alte Kumpels, die sich unten in St. Tropez oder St. Raphael oder Menton oder der Himmel weiß sonstwo kennengelernt hatten, aber kennengelernt hatten wir uns schon, daran war nicht zu zweifeln, das wußte er ebensogut wie ich. »Aber es ist immer so schwer, sich genau zu erinnern; man hängt ja in der Saison an so vielen Plätzen herum… nur aus familiären Gründen natürlich, Sie wissen ja, wie das ist… eigentlich kann ich das überhaupt nicht ausstehen… man ist schon so erledigt, wenn die Rennen im November beginnen… Ach so, das Schloß in Parma… Nun ja, diese Sache scheint sich ein bißchen in die Länge zu ziehen, aber sie hat ja auch erst vor einem Jahr angefangen… Aha, sind es tatsächlich schon zwei Jahre… Ja, Sie wissen ja, wie die Zeit vergeht, und ich selbst bin so unpraktisch veranlagt; meine Anwälte erledigen diese Dinge für mich, und außerdem, wozu soll ich mich in diesen demokratischen Zeiten um Schlösser kümmern…«
    Meisterhaft, alter Knabe, dachte ich. Du, mein lieber Luigi, bist in irgendeinem Hinterhof in der Nähe der Piazza Garibaldi in Neapel geboren und hast deine ersten Lebensjahre auf einem Bahnhof dort unten abgerissen. Aber, das muß ich dir lassen, in deinem Beruf bist du ein geschickter Hund – wenn man berufsmäßigen Betrug als Beruf ansehen will. Aber du hast einen Fehler gemacht, als du mit meinen Moneten abgehauen bist, obwohl du genau wußtest, daß es mein letztes Geld war, und jetzt wollen wir dich mal wie einen reifen Apfel vom Baum holen. Deine Schuldanerkenntnis habe ich nämlich immer noch in der Brieftasche…
    Ich murmelte eine Entschuldigung und zog mich mit Harriet zu den Doppeltüren zur Halle zurück, um mit ihr Ränke zu schmieden und Fallen zu stellen. Sie hatte sich umgezogen und trug jetzt statt der Jeans etwas Schwebendes, Ballerinahaftes. Sie war eine wirkliche Augenweide in ihrer zarten, zeitlosen Schönheit.
    In diesem Augenblick kamen die letzten Gäste. Graf d’Heilencourt mit Gemahlin und Fräulein Tochter. Wir stießen fast mit ihnen zusammen, und es gab keine Möglichkeit, sich in Luft aufzulösen. Die Gastgeberin eilte herbei, entzückt schnatternd, und weil wir am nächsten standen, mußte sie ihren ganzen Charme aufbieten, um die Explosion zu verhindern, die sich auf dem Gesicht des Grafen ankündigte.
    »Sieh mal einer an«, sagte ich, »lauter alte Bekannte – das heißt, ich glaube nicht, daß ich schon das Vergnügen hatte, die Gräfin kennenzulernen. Das ist wirklich eine ausgesucht angenehme Überraschung! Guten Tag, kleine Monique, wie nett, dich hier zu treffen! Du hast mit deinem Vater doch schon Fräulein Dunbar kennengelernt, aber vielleicht darf ich sie mit der Gräfin bekanntmachen…«
    Diese werte Dame ließ mich an ein chinesisches Gericht denken: gebratenes Schweinefleisch in süßsaurer Soße. Die nicht völlig verheilten Narben am Haaransatz entlarvten mindestens sechs Gesichtshebungen.
    Ein Gong läutete mit soigniertem Klang, und ich dachte mir, das müsse etwas zu fressen bedeuten, und das, was es hier gab, war wirklich etwas anderes als das, woran man als Junge im Haga-Slum von Göteborg gewöhnt war. Damals mußte man zufrieden sein, wenn die Alte mit dem Schlüssel zum Klo auch eine Stulle auf den Hinterhof runterwarf.
    (Man soll das, was rausgeht, immer durch etwas ersetzen, was reingeht.) Nur mit dem Appetit sah es nicht immer sehr rosig aus; in dem alten, mit Steinen belegten Hinterhof gab es ein gutes Echo. Auf dem Hof stand eine Reihe von Klos, und in einer Parterre-Behausung wohnte der alte pensionierte Geiger des Großen Theaters – glaube ich – , und er hatte enorme Beschwer-den mit der Verdauung, und da saß er nun immer den lieben langen Tag lang hinter der dritten Tür von links – der Tür neben der unseren – und gab Geräusche von sich, die mehr nach der Donnermaschine des Theaters klangen als nach seinem Geiger. Wenn man die Nase zuhielt und den Kopf ans Schlüsselloch hielt und dann nach rechts guckte, konnte man im Halbdunkel einen knotigen Altmännerarsch sehen, der wie ein Gewitter donnerte, Brüder, aber ich habe nie etwas herauskommen sehen. Da lobe ich mir die Finnin, die hinter der ersten Tür links saß, das war spannender. Ich rechnete mir aus, daß sie wie ein Taschenmesser zusammengeklappt hocken mußte, wenn sie pißte, denn sonst

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