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Anthologie - Das Lustbett

Anthologie - Das Lustbett

Titel: Anthologie - Das Lustbett Kostenlos Bücher Online Lesen
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St. Tropez… A mis soledades voy…
    Nein, ich muß aufpassen, daß ich nicht in einen introvertierten Snobismus hineingerate. Ein Mensch ist auch dann noch ein Mensch, wenn er nicht vor Begeisterung in die Luft geht, weil jemand ein spätes Beethoven-Quartett oder Die Kunst der Fuge vollendet spielen kann. Wenn ich mich doch nur von dem Gefühl des Erstickens befreien könnte, das mich jetzt überfällt, aber statt dessen hat meine Hilflosigkeit mich mit einem erstaunlichen Übermut ausgerüstet, obwohl meine Bilder abgenutzt sind, ausgebleichte Fotografien, schändlich vergewaltigt von der weichen Umarmung eines rettenden Vergessens. Diese modernen Rokokowesen da drinnen: verdrehte Spiralen des Geschlechts, Ornamente in Wurmstich und Gold…
    Was mache ich? Ich lasse mich zu Lachparoxysmen kitzeln in meiner kleinen privaten Angst, ich spiele Sexualsoli und Sexualduette und Geschlechtsquartette und scharre wie ein Hund in dem toten Laub nach den Würmern der Analerotik und den tödlichen, kriechenden schwarzgrünen Schlangen der Vaginalerotik auf der Jagd nach dem kleinen, infantilen Lust-Ich in dem dampfenden, stickigen Dunkel, das von zitternden Lichtspeeren vor dem Zwiebelturm eines Sultanschlosses durchschnitten wird, und ich weiß, daß alles nur eine Luftspiegelung ist. Ich bin eine Leiche vor der Zeit, die früh ihre Möglichkeiten entdeckt hat, wider den Stachel zu locken, und die sich mit geifernder Wortdiarrhöe darüber freut, daß andere nichts als unfruchtbare Gärten und graue Tristesse hervorbringen können.
    »Warum so traurig?«
    Das war eine von den Durchsichtigen: dunkel mit spanischem, feingeschnittenem Profil. Vorsichtig mit ihrem Martini-Glas balancierend, setzte sie sich neben mich auf die Balustrade.
    »Ist es vielleicht, weil noch nicht alle Gäste gekommen sind?«
    »Warum sollte mich das traurig machen? Dies ist schließlich nicht meine Party.«
    »Wenn du wüßtest, welche Gäste noch fehlen, würdest du vielleicht etwas interessierter sein.«
    »Warum denn bloß? Auf wen warten wir denn noch? Auf Charles de Gaulle persönlich?«
    »Nein, aber auf Familie d’Heilencourt. Sieh mal an, da macht er plötzlich ein interessiertes Gesicht!«
    »Darf ich fragen, warum ausgerechnet die d’Heilencourts mich interessieren sollten?«
    »Hör endlich auf, Theater zu spielen. Du bist viel bekannter, als du glaubst. Jeder kennt deine kleine Cause celebre mit Monique im Cafe de la Paix. Du weißt doch, die Welt ist klein… Ein guter Freund von mir saß am Nebentisch, als es passierte. Er hat jedes Wort gehört.«
    »Das heißt also, daß auch unsere reizende Gastgeberin über alles Bescheid weiß?«
    »Genau.«
    »Und trotzdem hat sie die kleine Monique und ihren Papa und ihre Mama eingeladen…? Sehr raffiniert! Gegen eine schöne Familienfehde kann nichts aufkommen, wenn man eine Party interessant gestalten will.«
    »Paris ist die einzige Weltstadt, die ich kenne, die zugleich das provinziellste aller Nester sein kann. Man kann überhaupt nicht den Fuß auf die Straße setzen, ohne daß die ganze Welt gleich darüber quatscht.«
    »Das hängt davon ab, wer man ist.«
    »Jetzt hör mal zu, meine Schöne – meine Karriere hat noch nicht einmal angefangen. Noch bin ich nichts weiter als eine Hoffnung, wie man so schön sagt, und bislang habe ich noch nichts getan, was zu mehr als Hoffnungen berechtigt…«
    »… aber du berechtigst immerhin zu den schönsten Hoffnungen, und das bedeutet in Paris sehr viel. Außerdem habe ich gehört, daß du sogar recht manierlich Klavier spielst, und das hilft auch ein wenig.«
    »Danke.«
    »Oh, keine Ursache.«
    Ich stand auf und kehrte in die Rokokozeit zurück, um mein Glas füllen zu lassen. In einer Ecke sah ich Harriet, die mit einem schwarzgelockten Italiener Konversation machte (er mußte einfach Italiener sein); er hatte ein gekräuseltes Hemd und Lokken im Nacken, ein giftgrünes Glas in der einen Hand und eine lange schwarze Sobranie in der anderen, die er geziert mit den Fingerspitzen hielt. Harriet sah mich eintreten, und ihre Stimme durchdrang das allgemeine Stimmengewirr:
    »Liebling, ich habe einen echten Prinzen entdeckt, komm her und gib mal Pfötchen!«
    Es war natürlich Pech für ihn, aber diesen Burschen hatte ich schon früher kennengelernt – unter anderen Umständen. »Dich werde ich angespitzt in den Boden rammen, mein Lieber, damit du merkst, wie ich Hühner rupfe«, dachte ich und sagte:
    »Nein, sind Sie nicht Prinz di Parma, das

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