Anthrax
hätte, wenn er Gerichtsmediziner gewesen wäre.«
»Willst du damit sagen, daß du mich nicht heiraten willst, wenn dir meine Geschäfte nicht zusagen?«
»Bitte, Paul«, versuchte Laurie ihn zu beruhigen. »Ich will nicht mit dir streiten. Aber ich finde es allmählich unheimlich, wie du unser Gespräch in eine Richtung lenkst, in die es nicht gehen sollte. Sag mir doch einfach, was du beruflich machst – und fertig.«
»Ich verdiene mein Geld mit Verteidigungsprodukten«, erklärte Paul gereizt.
»Okay, das ist ja schon mal ein Anfang«, fand Laurie und starrte in die aufgeschäumte Milch ihres Cappuccinos. »Könntest du dich vielleicht ein bißchen klarer ausdrücken?«
»Was soll das?« fragte Paul. »Ist das ein Verhör?«
»Nein, Paul. Ein Gespräch.«
»Ein amüsantes Gespräch!« stellte Paul sarkastisch fest. »Warum fühlst du dich in die Enge getrieben? So bist du doch sonst nicht.«
»Ich fühle mich in die Enge getrieben, weil mir die einfallslose Reaktion vieler Leute auf meine Geschäfte zum Hals heraushängt. Ich mache Geschäfte mit Waffen.«
»Und du glaubst, daß ich genauso reagiere?«
»Könnte ja sein.«
»Was verkaufst du?«
»Waffen. Reicht das nicht? Sollten wir nicht über etwas anderes reden?«
»Verkaufst du Kanonen, Bomben oder Gewehre?«
»Von jedem etwas«, gestand Paul. »Je nachdem, was gerade gefragt ist.«
»Wie sieht es mit bulgarischen Kalaschnikow-Sturmgewehren aus?« wollte Laurie wissen.
»Natürlich verkaufe ich auch die«, erwiderte Paul überrascht. Mit so einer spezifischen Frage hatte er nicht gerechnet. »Bulgarische Kalaschnikows verkaufe ich sogar mit am liebsten. Es sind zuverlässige, kostengünstige und solide hergestellte Gewehre. Viel besser als die chinesische Version.«
Laurie schloß die Augen und sah vor sich verschiedene Ansichten der Leiche von Brad Cassidy sowie seine trauernden Eltern. Sie erinnerte sich noch gut an den Schauder, der ihr über den Rücken gelaufen war, als Mrs. Cassidy ihr erzählte, ihr Sohn habe bulgarische Kalaschnikows an andere Skinheads verkauft. Daß Paul sich mit solchen Geschäften abgab, war ihr unbegreiflich. Dafür hatte sie im Laufe ihrer Berufsjahre als Gerichtsmedizinerin schon zu viele tödliche Schußverletzungen gesehen.
Sie holte tief Luft. Ihre Gefühle drohten, sie wieder einmal außer Gefecht zu setzen. In solchen Situationen brach sie leicht in Tränen aus, doch sie wollte jetzt unter keinen Umständen anfangen zu weinen. Wenn ihr das passierte, ärgerte sie sich immer furchtbar; denn damit war jede Diskussion unweigerlich beendet. Sie öffnete die Augen und sah Paul an. Er wirkte genervt und arrogant. »Denkst du jemals darüber nach, was du mit deinen Waffenverkäufen bewirkst?« fragte Laurie. Sie wollte die Diskussion unbedingt weiterführen.
»Natürlich«, erwiderte Paul in einem schnoddrigen Tonfall. »Sie versetzen Menschen in die Lage, sich in einer gefährlichen Welt zu verteidigen.«
»Und was ist, wenn die Waffen in die Hände von gewalttätigen ultrarechten Randgruppen gelangen?« bohrte Laurie weiter. »Zum Beispiel in die Hände von Skinheads?«
»Sie haben das gleiche Recht auf Selbstverteidigung wie jeder andere auch.«
»Das Problem ist nur, daß die Waffen in den Händen solcher extremistischer Haßgruppierungen blindwütig eingesetzt und Menschen damit umgebracht werden.«
»Waffen bringen keine Menschen um«, korrigierte Paul unbekümmert. »Menschen bringen Menschen um.«
»Jetzt klingst du wie der Sprecher des Nationalen Waffenverbands«, entgegnete Laurie.
»Der Nationale Waffenverband vertritt ein paar sehr gute Ansichten«, erklärte Paul. »Er hat zum Beispiel daraufhingewiesen, daß das Recht, Waffen zu tragen, sogar durch unsere Verfassung verbrieft ist. Wenn die Regierung uns das Waffentragen verbietet, wie sie es mit der Verabschiedung der Omnibus Crime Bill getan hat, handelt sie eindeutig Laurie starrte ihren Bräutigam in spe an und schüttelte den Kopf. Sie konnte kaum glauben, daß ihre Ansichten bei einem derart wichtigen Thema so weit auseinanderklafften, wo sie doch in vielen anderen Dingen so gut zueinander paßten. Paul warf seine Serviette auf den Tisch. »Ich bin wirklich enttäuscht. Du reagierst genauso abgedroschen auf meine berufliche Betätigung, wie ich befürchtet hatte. Jetzt weißt du, warum ich dich nicht schon früher eingeweiht habe.«
»Ich bin auch enttäuscht«, erklärte Laurie. »Ich mag mir gar nicht vorstellen, daß du
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