Anthrax
Die Erreger sind zum Beispiel auch schon in frischem Knoblauch in Öl oder in gefrorener Pastete aufgetreten. Sind Sie eigentlich Russe?«
»Ja«, brachte Yuri hervor.
»Dann habe ich Ihren Akzent ja richtig gedeutet«, sagte Laurie.
»Woher kommen Sie?« meldete sich Jack zum ersten Mal zu Wort.
Yuri zögerte und sagte nach ein paar Sekunden. »Sankt Petersburg.«
»Soll eine schöne Stadt sein«, schwärmte Laurie. »Es gibt übrigens auch einen bei russischen Immigranten beliebten Weißfisch, der schon mal mit Botulinusbazillen verseucht war. Essen Sie diesen Fisch häufig?«
»Nein«, erwiderte Yuri. Er hatte keine Ahnung, wovon Laurie sprach.
»Wir würden gern einen Blick in Ihre Küche werfen«, fuhr Laurie fort. »Sie befinden sich wirklich in großer Gefahr.«
»Ja, aber…«, begann Yuri.
»Es dauert nicht lange«, fiel Laurie ihm ins Wort. »Wirklich. Immerhin sind wir extra aus Manhattan hier rausgekommen. Wir können natürlich auch das Gesundheitsamt anrufen. Die Beamten würden darauf bestehen, sich Ihre Wohnung von innen anzusehen; dazu sind sie per Gesetz befugt.«
»Ist schon in Ordnung«, gab Yuri klein bei. »Wenn es nicht lange dauert.« Er erholte sich allmählich von seinem ersten Schock. Daß ihn mitten in der Nacht irgendwelche mit einem Haussuchungsbefehl bewaffneten Leute vom Gesundheitsamt aufsuchten, hätte ihm gerade noch gefehlt. Sein Hirn arbeitete auf Hochtouren. Gab es vielleicht sogar einen Weg, von dem Überraschungsbesuch zu profitieren? »Danke«, sagte Laurie und passierte mit Jack das kleine Tor. Yuri führte sie zum Hintereingang. Er schloß die Tür auf und trat ein. Laurie und Jack folgten ihm. Laurie ließ ihren Blick durch den L-förmigen Raum schweifen. »Das ist ja.«, begann sie und zögerte einen Augenblick, bis ihr das richtige Wort einfiel: »Niedlich.« Jack nickte, doch er interessierte sich eher für Yuri. »Sie haben ja einen ganz schön heftigen Ausschlag.« Yuri berührte sein Gesicht. Er war sichtlich verlegen. Seine andere Hand steckte immer noch in der Tasche und umklammerte die Glock-Automatik. »Ich bin gegen irgend etwas allergisch.«
Jack neigte den Kopf und musterte Yuri. »Sind wir uns nicht schon mal begegnet?«
»Mit Sicherheit nicht«, stellte Yuri klar und zeigte auf die Küchenecke. »Die Lebensmittel stehen alle dort.« Laurie steuerte umgehend den Kühlschrank an, öffnete die Tür und bückte sich, um den kläglichen Inhalt in Augenschein zu nehmen.
Jack folgte ihr, doch er kam nicht weit, weil ein paar seltsam aussehende Gegenstände auf dem Tisch seine Aufmerksamkeit erregten. »Was ist das denn?« fragte er und bohrte seinen Finger in eines der wie Würste aussehenden Plastikpäckchen.
Yuri machte einen Satz auf ihn zu. »Vorsicht!« fuhr er ihn an. Als Jack seine Hand zurückzog, beruhigte er sich ein wenig. »Ich will nicht, daß sie kaputtgehen.«
»Tut mir leid«, entschuldigte sich Jack. »Ist ja nichts passiert. Ist das irgendeine Delikatesse?«
»Könnte man so sagen«, erwiderte Yuri vage. »Moment mal!« rief Jack plötzlich. »Ich kenne Sie doch! Sind Sie nicht der Mann aus Swerdlowsk?«
»Nein«, bestritt Yuri. »Ich bin aus Sankt Petersburg.«
»Habe ich Sie nicht in der Corinthian Rug Company getroffen?« fragte Jack unbeirrt weiter. »Ihr Nachbar, ein gewisser Yegor, hat mir doch von Ihrem Taxi erzählt. Sind Sie nicht vor ein paar Tagen bei dem Teppichhändler Mr. Papparis vorgefahren, um ihn abzuholen?«
»Da verwechseln Sie mich«, stellte Yuri klar. Ihm wurde immer mulmiger zumute.
»Sie sind dem Mann wie aus dem Gesicht geschnitten«, staunte Jack.
Laurie öffnete das Gefrierfach des Kühlschranks. Außer einer Flasche Wodka und einem Behälter mit Eiswürfeln war das Fach leer.
»Viel Eßbares haben Sie ja nicht im Haus«, bemerkte Laurie. »Meine Frau hat sich ausschließlich von Fast food ernährt«, teilte Yuri ihr mit. »Und ich esse immer unterwegs.« Laurie nickte und öffnete die Küchenschränke. Da sie auch dort nichts Verdächtiges entdeckte, trat sie einen Schritt zurück und nahm aus zwei Metern Distanz die winzige Kochecke ins Visier. »Ihre Frau scheint keine Einmachgläser oder Derartiges besessen zu haben.«
»Ihre Einmachutensilien sind unten im Keller.« Yuri kam eine Idee.
Laurie drehte sich um und sah ihn neugierig an. »Dann hat Ihre Frau also doch Lebensmittel eingemacht und konserviert?«
»Wenn ich es mir recht überlege, hat sie das früher mal gemacht, glaube ich«,
Weitere Kostenlose Bücher