Anthrax
mit einem seiner Nachbarn gesprochen. Er hat mir erzählt, daß Yuri Davydov Taxi fährt und nie vor neun oder zehn Uhr abends nach Hause kommt.« Laurie sah auf die Uhr. »Dann wäre er jetzt daheim.«
»Stimmt«, bestätigte Jack. »Was willst du damit sagen?«
»Hast du seine Telefonnummer?« fragte Laurie. »Ja«, erwiderte Jack. »Aber das nützt uns nichts. Mr. Davydov hat sein Telefon offenbar abgestellt.«
»Wann hast du es zum letzten Mal versucht?«
»Heute morgen«, gestand Jack.
»Wir sollten es vielleicht noch einmal versuchen«, schlug Laurie vor. Sie langte nach ihrer Handtasche und nahm ihr Handy heraus. »Wie lautet die Nummer?«
»Ich habe sie nicht dabei«, erwiderte Jack. »Sie ist bei meinen Unterlagen im Institut.«
»Dann ruf ich die Auskunft an«, beschloß Laurie. »Wie schreibt man Davydov?«
Ein paar Sekunden später hatte Laurie die Nummer und zeigte Jack die Anschrift, um sich zu vergewissern, daß es sich auch um den richtigen Davydov handelte. Nachdem sie gewählt hatte, ertönte das Besetztzeichen. »Glaubst du mir jetzt?« fragte Jack.
»Ich habe dir auch vorher geglaubt«, stellte Laurie klar. »Ich dachte nur, daß es einen Versuch wert ist. Dann rufen wir ihn eben nicht an und fahren statt dessen hin.«
»Jetzt?« fragte Jack.
»Wie würdest du dich denn fühlen, wenn wir warten würden, bis der Mann ebenfalls gestorben ist?« fragte Laurie zurück. »Ziemlich mies, schätze ich«, gestand Jack. »Du hast natürlich recht. Dann fahre ich eben noch mal hin. Es wird allerdings eine Weile dauern. Brighton Beach liegt am hintersten Ende von Brooklyn.«
»Um diese Uhrzeit müßten wir eigentlich ziemlich schnell durchkommen«, bemerkte Laurie. »Wir nehmen den Brooklyn-Battery-Tunnel und den Shore Parkway. Dann sind wir in Null Komma nichts da.«
»Ich komme nicht mit«, erklärte Warren. »Flash hat mir erzählt, daß dieser Yuri ein Mistkerl sein soll. Deshalb überlasse ich die Sache lieber euch Experten. Spit und ich verabschieden uns für heute.«
»Okay«, sagte Laurie. »Wir können ja auch ein Taxi nehmen.«
»Nicht nötig«, entgegnete Warren. »Ihr könnt meinen Wagen haben. Ich fahre mit Spit nach Hause. Du weißt ja, wo du ihn nachher am besten parkst, Doc.«
»Meinst du das im Ernst?« fragte Laurie. »Natürlich«, versicherte Warren. »Habt noch einen netten Abend! In unserem Viertel braucht ihr euch nachher keine Sorgen zu machen. Es paßt die ganze Nacht jemand auf, damit so etwas wie vorhin nicht noch einmal passiert.«
Kapitel 21
Mittwoch, 20. Oktober, 22.30 Uhr
Yuri richtete sich auf und streckte sich. Er hatte gerade mit äußerster Sorgfalt das Anthraxpulver in den Einfülltrichter des Power-Breitspur-Verstäubers gefüllt und den Trichter wieder angebracht. Einschließlich der Zeit, die er, eingepfercht in seinen Schutzanzug der höchsten Sicherheitsstufe, im Labor verbracht hatte, hatte die gesamte Prozedur fast zwei Stunden gedauert. Doch jetzt war alles fertig. Das Spezialfahrzeug stand für den schicksalsschweren Einsatz am kommenden Morgen bereit. Er warf einen Blick auf die Uhr und gönnte sich die erste Pause des Abends. Seitdem er Curt und den anderen Verrückten während der haarsträubenden Verfolgungsjagd auf Jack Stapleton entkommen war, breitete sich unterschwellig Panik in ihm aus. Er hatte sich Sorgen gemacht, sein Versprechen womöglich nicht einhalten zu können und bis zu seiner Deadline um dreiundzwanzig Uhr nicht alles fertig zu haben, was noch zu erledigen war. Doch er hatte sich umsonst verrückt gemacht. Um halb elf war alles fertig, eine halbe Stunde vor der verabredeten Zeit. Auf dem Küchentisch lagen fünf wie Würste aussehende Plastikpakete zu jeweils einem Pfund. Sie enthielten ein hellbraunes Pulver und warteten darauf, an Curt und Steve übergeben zu werden. Auf den Päckchen lag der verschlossene Umschlag mit der Rezeptur, um die Curt ihn gebeten hatte. Des weiteren hatte er ein dickes Badetuch bereitgelegt, in das er die Pakete einwickeln wollte.
Wohl wissend, welch wichtige Rolle das Spezialfahrzeug bald spielen würde, klopfte er anerkennend gegen das Seitenblech und vergewisserte sich ein letztes Mal, ob die Schlüssel noch dort lagen, wo er sie deponiert hatte: auf der Sonnenblende an der Fahrerseite. Er wollte sich am Morgen keine dummen Patzer erlauben, wie etwa nicht mehr zu wissen, wo er die Autoschlüssel hingelegt hatte. Um Punkt acht Uhr würde er nach Manhattan aufbrechen, und zwar mit seinem
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