Anthrax
haben – vorausgesetzt natürlich, es gibt nicht noch mehr Tote.«
»Sie müssen ja wissen, was Sie tun«, entgegnete Jack. »Ich an Ihrer Stelle würde allerdings …«
»Danke für Ihr Vertrauen«, unterbrach ihn Abelard und legte ohne jedes weitere Wort auf.
Jack tat dasselbe. »Zum Teufel mit dem Kerl!« fluchte er an Chet gewandt, der sich im Laufe des Telefonats mit dem Stuhl zu ihm hingedreht hatte. »Soviel zu dem Thema Kooperation zwischen den Behörden. Dieser Abelard ist noch zynischer als ich.«
»Du mußt sein Ego bei der Pestepisode damals tödlich verletzt haben«, folgerte Chet.
»Dann will ich mal versuchen, ob ich mit dem Leiter des städtischen Amts für die Durchführung von Notstandsmaßnahmen mehr Glück habe«, nahm Jack einen neuen Anlauf. »Warum rufst du den denn an?« wollte Chet wissen. »Aus reiner Höflichkeit«, erwiderte Jack. »Strikte Order von unserem stellvertretenden Boß.«
Als sich eine Sekretärin meldete, bat Jack, mit Stan Thornton verbunden zu werden.
»Ist das der, der uns den Vortrag über Massenvernichtungswaffen gehalten hat?« fragte Chet.
Jack nickte. Zu seiner Verwunderung kam der Leiter sofort an den Apparat. Jack stellte sich vor und erklärte, warum er anrief.
»Anthrax!« staunte Thornton. Er war ohne jeden Zweifel ziemlich geschockt. Völlig anders als Clint Abelard bombardierte er Jack mit Fragen. Erst als er hörte, daß der mutmaßliche Erreger unter Kontrolle war und daß es nur diesen einen Fall gegeben hatte, klang er nicht mehr ganz so panisch.
»Damit wir auf jeden Fall auf der sicheren Seite sind, setze ich mich mit meinen Kontaktleuten im Gesundheitsamt in Verbindung und bitte sie festzustellen, ob nicht doch noch Patienten mit verdächtigen Symptomen in irgendwelchen Krankenhäusern liegen.«
»Eine gute Idee«, zollte Jack Beifall.
»Und ich sorge dafür, daß das Lager unter Quarantäne gestellt wird«, fügte Thornton hinzu.
»Das geschieht bereits«, erklärte Jack und berichtete Thornton von seinem Telefonat mit dem städtischen Epidemiologen.
»Hervorragend!« freute sich Thornton. »Clint Abelard hätte ich auch als einen der ersten kontaktiert. Dann koordiniere ich alles Weitere mit ihm.« Viel Glück! dachte sich Jack im stillen.
»Danke, daß Sie mich so schnell informiert haben«, führ Thornton fort. »Sie erinnern sich sicher an meinen Vortrag – bei einem eventuellen Terroranschlag mit Biowaffen kommen die Mitarbeiter der medizinischen Berufe vermutlich als erste mit den Folgen in Berührung. Je schneller die Reaktion, desto besser die Chancen, den Schaden zu begrenzen.«
»Wir schreiben es uns hinter die Ohren«, versprach Jack. Sie verabschiedeten sich und legten auf.
»Gratulation«, lobte Chet ihn. »Das war ein richtig zivilisiertes Gespräch.«
»Dann müssen meine diplomatischen Fähigkeiten auf zwischenbehördlicher Ebene wohl Fortschritte gemacht haben«, witzelte Jack. »Ich habe den Mann nicht im geringsten verärgert.«
Er suchte die den Fall Jason Papparis betreffenden Papiere zusammen, packte sie zurück in die Aktenmappe und schob sie beiseite. Dann wandte er sich wieder dem im Gefängnis verstorbenen Häftling zu.
Für ein paar Minuten herrschte Ruhe in dem vollgestopften Büro. Jack und Chet beugten sich über ihre jeweiligen Schreibtische und vertieften sich in ihre Arbeit. Chet sah konzentriert durch sein Mikroskop und untersuchte einen Leberschnitt; das Opfer war an Hepatitis gestorben. Jack begann mit der Beschreibung der relevanten pathologischen Merkmale im Falle des toten Häftlings. Leider währte die Ruhe nicht lange. Plötzlich wurde das Büro von einem Knall erschüttert; es klang, als ob jemand mit einer Pistole geschossen hätte. Chet sah erschrocken auf. Jack stieß eine Salve von Kraftausdrücken aus und versetzte Chet in blankes Entsetzen. Da erst registrierte Chet, daß sie nicht etwa Gefahr liefen, als nächste Obduktionsfälle auf den Autopsietischen zu landen. Der plötzliche Knall rührte daher, daß Jack seinen Kugelschreiber auf die Metalloberfläche des Schreibtischs geschmettert hatte. »Verdammt!« fuhr Chet ihn an. »Du hast mich zu Tode erschreckt!«
»Ich kann mich nicht konzentrieren«, entgegnete Jack. »Was hast du denn nun schon wieder?«
»Alles mögliche«, erwiderte Jack ausweichend. Er hatte keine Lust, mit Chet über Laurie zu sprechen. »Geht’s vielleicht ein biß-chen konkreter?« insistierte Chet. Jack zog die Akte Papparis erneut aus dem Stapel hervor.
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