Anthrax
Identifikationsbogen hervor und suchte noch einmal nach der Telefonnummer von Helen Papparis. Dann rief er zum zweiten Mal bei der Witwe des verstorbenen Teppichhändlers an.
»Tut mir leid, daß ich Sie noch einmal störe«, begann Jack das Gespräch.
»Kein Problem«, entgegnete Helen. Sie war genauso freundlich wie bei ihrem ersten Telefonat. »Ich wollte mich erkundigen, ob Sie schon etwas vom Gesundheitsamt gehört haben«, erklärte Jack. »Ja«, erwiderte Helen. »Ein gewisser Dr. Abelard hat mich kurz nach Ihnen angerufen.«
»Da bin ich ja beruhigt«, rutschte es Jack heraus. »Darf ich fragen, worüber er mit Ihnen gesprochen hat?«
»Er war sehr geschäftsmäßig«, berichtete Helen. »Er wollte die Adresse des Teppichlagers wissen und die Schlüssel haben. Kurz darauf kam die Polizei bei mir vorbei und hat die Schlüssel abgeholt.«
»Hervorragend«, sagte Jack. »Was ist mit dem Büro in Manhattan? Hat Dr. Abelard auch darüber mit Ihnen gesprochen?«
»Nein. Mit keinem Wort.«
»Aha«, murmelte Jack und sah Chet an, der mit den Schultern zuckte. Jack dachte kurz nach und fuhr fort: »Ich würde mir das Büro gerne einmal ansehen. Hätten Sie etwas dagegen?«
Chet winkte entschieden ab und formte seine Lippen immer wieder zu einem deutlichen ›Nein‹. Aber Jack ignorierte ihn. »Wenn das irgendwie weiterhilft, habe ich selbstverständlich nichts dagegen«, versicherte Helen.
Jack berichtete ihr von seinen Befürchtungen und daß er nachprüfen wolle, ob nicht womöglich doch schon ein Teil der letzten Sendung weiterverkauft und verschickt worden war. Helen hatte sofort vollstes Verständnis. »Ich könnte die Schlüssel bei Ihnen abholen«, schlug Jack vor.
»Das ist gar nicht nötig«, entgegnete Helen. »Das Büro ist in der Walker Street, Hausnummer siebenundzwanzig. Direkt daneben befindet sich ein Laden für Briefmarkensammler. Der Eigentümer heißt Hyman Feingold, er war mit meinem Mann befreundet. Die beiden haben für eventuelle Notfälle ihre Ladenschlüssel ausgetauscht. Ich gebe Mr. Feingold Bescheid, daß Sie den Schlüssel abholen.«
»Wunderbar«, freute sich Jack. »Haben Sie inzwischen mit Ihrem Hausarzt gesprochen?«
Das bejahte Helen. »Er schickt mir Antibiotika. Außerdem hat er mir geraten, mich impfen zu lassen.«
»Das ist sicher eine gute Idee«, versicherte Jack. Nachdem sie sich verabschiedet hatten, stand er auf und holte seine Bomberjacke von dem Haken hinter der Tür. »Willst du mich gar nicht fragen, was ich von deinem erneuten Ausflug an die Front halte?« erkundigte sich Chet. »Nein«, erwiderte Jack. »Ich kenne deine Meinung ja schon und fahre trotzdem. Da ich mich nicht konzentrieren kann, werde ich jetzt etwas Nützliches tun. Außerdem kannst du dann endlich in Ruhe arbeiten. Halt die Stellung, Kumpel!« Chet rang die Hände und schnitt eine empörte, aber gleichzeitig resignierte Grimasse. Er fand es verrückt, daß Jack wieder mal auf eigene Faust ermitteln wollte; doch aus Erfahrung wußte er, daß sein Kollege sich niemals umstimmen ließ, wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte.
Fröhlich vor sich hin pfeifend, lief Jack die Treppen hinunter in den dritten Stock. Er mußte noch im MikrobiologieLabor vorbeischauen. Die Vorfreude auf seine Fahrradtour hellte seine Laune sichtlich auf; er fühlte sich so gut wie den ganzen Tag noch nicht.
Da Agnes Finn frei hatte, redete er mit der Schichtleiterin. Sie packte ihm bereitwillig eine Tasche mit Reagenzgläsern, Sanitärtüchern, Latexhandschuhen, Mikropore-Masken, einem Isolieranzug und einem Gesichtsschutz zusammen. Natürlich wäre ein biologischer Schutzanzug der höchsten Sicherheitsstufe besser gewesen, aber Jack hielt ihn für entbehrlich. Außerdem hätte er einen solchen Anzug nicht sofort mitnehmen können, und er wollte keine Zeit verlieren. Außerdem war er immer noch davon überzeugt, daß Jason Papparis in seinem Teppichlager und nicht in seinem Büro mit dem Erreger in Berührung gekommen war. Mit der Utensilientasche in der Hand eilte Jack hinab ins Untergeschoß und schloß sein Fahrrad auf. Doch anstatt sofort in Richtung downtown zu radeln, machte er noch einen Abstecher zum University Hospital. Er glaubte fest an das alte Sprichwort ›Vorbeugen ist besser als Heilen‹; deshalb hatte er beschlossen, als Präventivmaßnahme Antibiotika einzunehmen.
Die Fahrradtour versetzte ihn in Hochstimmung, und diesmal kam ihm auch kaum jemand in die Quere. Er fuhr auf der Second
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