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Anthropofiction

Anthropofiction

Titel: Anthropofiction Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon E.Stover und Harry Harrison
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besprach, dem sich nur Männer unterwerfen. Dieser Teil schließt das Abschaben und Zerfleischen der Oberfläche des Gesichtes unter Verwendung eines scharfen Instrumentes ein. Spezielle Frauenriten werden nur viermal während jedes Kalendermonats vollzogen, aber was ihnen an Häufigkeit fehlt, gleichen sie durch Barbarei wieder aus. Bei einem Teil dieser Zeremonie backen die Frauen ihre Köpfe in kleinen Öfen, etwa eine Stunde lang. Ein interessanter Gesichtspunkt ist es, daß eine Gesellschaft die überwiegend masochistisch scheint, sadistische Fachleute herausgebildet hat.
    Die Medizinmänner haben einen imposanten Tempel, ein Latipsoh, in allen Gemeinden jeder Größe. Die höher entwickelten Zeremonien, die zur Behandlung sehr kranker Patienten nötig sind, können nur in diesem Tempel vollführt werden. Diese Zeremonien schließen nicht nur den Thaumaturgen (Wundertäter) ein, sondern auch eine dauernd anwesende Gruppe vestalischer Jungfrauen, die sich mit Kopfschmuck und besonderem Kostüm feierlich durch die Tempelkammern bewegen.
    Die Latipsoh-Zeremonien sind so rauh, daß es erstaunlich ist, daß ein guter Teil der wirklich kranken Eingeborenen, die den Tempel betreten, sich je wieder erholt. Kleine Kinder, deren Einführung noch unvollständig ist, sind dafür bekannt geworden, daß sie sich Versuchen, sie in den Tempel zu schaffen, widersetzten, denn: »Da geht man doch zum Sterben hin!« Trotz dieser Tatsache sind Erwachsene nicht nur bereit sondern begierig, sich der ausgedehnten rituellen Reinigung zu unterwerfen, wenn sie es sich leisten können. Wie krank der Bittsteller, oder wie ernst der Notfall auch immer sein mag, die Wächter vieler Tempel lassen keinen Patienten ein, der dem Aufseher keine reiche Gabe darbringen kann. Selbst wenn man Zutritt erlangt hat, und die Zeremonien überlebt hat, lassen die Wächter den Neubekehrten nicht ziehen, bevor er eine weitere Gabe entrichtet hat.
    Bittsteller, die den Tempel betreten, werden zuerst völlig entkleidet. Im Alltagsleben vermeidet der Renakirema die Enthüllung seines Körpers und dessen natürliche Funktionen. Das Bad und die Ausscheidungsakte des Körpers werden in der Abgeschiedenheit des Haushaltsschreins vollzogen, wo sie als ein Teil des Körperritus ritualisiert sind. Ein psychischer Schock entspringt der Tatsache, daß die Verborgenheit des Körpers mit dem Eintritt in das Latipsoh plötzlich verloren geht. Ein Mann, dessen eigene Frau ihn niemals bei einem Ausscheidungsakt gesehen hat, findet sich plötzlich nackt und mit Unterstützung durch eine vestalische Jungfrau beim Vollzug seiner natürlichen Funktionen in ein geheiligtes Gefäß. Diese Art zeremonielle Behandlung wird durch die Tatsache notwendig, daß die Ausscheidungen von einem Wahrsager benutzt werden, um Verlauf und Art der Krankheit des Patienten zu bestimmen. Auf der anderen Seite stellen weibliche Patienten fest, daß ihre nackten Körper den prüfenden Blicken, den Manipulationen und Betastungen der Medizinmänner unterworfen sind.
    Wenigen Bittstellern geht es gut genug, daß sie etwas anderes tun könnten, als auf ihren harten Betten zu liegen. Die täglichen Zeremonien schließen, wie die Riten der heiligen Männer des Mundes, Unbequemlichkeiten und Folterungen ein. Mit ritueller Präzision wecken die Vestalinnen ihre unglückseligen Schützlinge zur Morgendämmerung auf und rollen sie auf ihren Leidensstätten hin und her, während sie Waschungen vornehmen, in jenen formellen Bewegungen, in denen sie besonders geschult sind. Zu anderen Zeiten führen sie Zauberstäbe in den Mund des Bittstellers ein, oder zwingen ihn Substanzen zu essen, denen man Heilkraft zuschreibt. Von Zeit zu Zeit kommen die Medizinmänner zu ihren Patienten und stoßen ihnen magisch behandelte Nadeln ins Fleisch. Die Tatsache, daß diese Zeremonien den Neubekehrten auch nicht heilen und eventuell töten können, verringert in keiner Weise den Glauben der Leute an die Medizinmänner.
    Es bleibt noch eine Art Spezialist übrig, dieser ist bekannt als der »Zuhörer«. Dieser Zauberdoktor hat die Macht, die Teufel auszutreiben, die sich in den Köpfen der Menschen aufhalten, die verhext worden sind. Die Renakirema glauben, daß Eltern ihre eigenen Kinder verhexen. Mütter werden insbesondere verdächtigt, einen Fluch über die Kinder zu breiten, während sie sie die geheimen Körperrituale lehren. Der Gegenzauber des Hexendoktors ist ungewöhnlich in seinem Mangel an Ritual. Der Patient erzählt

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