Anthropofiction
geschaffe ne Umwelt den Organismus und wird es immer tun. Die Rückkoppelungsbeziehung zwischen der menschlichen Kultur und der menschlichen Biologie existiert eben deshalb, weil die Umwelt, an die sich der Mensch anpaßt, von ihm selbst gemacht ist – sie ist Teil eines einheitlichen biokulturellen Prozesses.
Die menschliche Kultur hat die menschliche Biologie vom Anbeginn der menschlichen Evolution an beeinflußt und modifiziert. Weil die Kultur kumulativ ist, nicht aber die genetische Reaktion darauf, kann die Kultur schneller wachsen als das Tempo der natürlichen Selektion. Zum Beispiel wird, wenn der Fabrikindustrialismus fortfährt, den Sauerstoff in der Atmosphäre zu vermindern, die Zeit kommen, wo die Luft nicht mehr atembar ist; aber diese Zeit wird eintreten, bevor die Menschen sich durch natürliche Selektion daran gewöhnen können, irgendeine andere Gasmischung zu atmen.
Mit »Am Anfang« blickt Morton Klass auf eine Zeit, wo der Mensch tatsächlich seine Selbstvernichtung herbeiführt, aber nicht, bevor er im Laboratorium den Neanderthaler rekonstruiert hat. Dann erben die Neanderthaler die Welt. Die Menschheit lebt dank den Wundern der Biotechnik in einer anderen Subspezies weiter. Der Technologie als einem Teil der Kultur wird eine ungewöhnlich dramatische Rolle bei der Änderung der biologischen Eigenschaften der Menschheit eingeräumt, aber im Prinzip hat der Autor recht. Die biologische Evolution ist für den Menschen nicht abgeschlossen, nur weil sie für ihn biokulturelles Verhalten entwickelt hat. Die Kultur ist ein Artefakt der Selbstdomestizierung des Menschen, ein Artefakt, der den Organismus beeinflussen muß, weil die Kultur eine Erweiterung des Organismus ist. Nur die Technologie des Autors ist phantastisch. Aber keineswegs phantastischer als Carleton Coons Voraussagen für die Bio technologie in »Die Zukunft der menschlichen Rassen«.
Rasse und Kultur
Der Mensch ist eine globale Spezies. Nur eine andere Tierspezies hat solch eine weite zoogeographische Verbreitung, und das ist der Hund, den der Mensch auf seine Wanderungen mitgenommen hat. Die breite geographische Streuung der Menschheit über verschiedene Klima- und Landschaftsgebiete ist mitverantwortlich für die Rassenunterschiede. Aber der Einfluß verschiedener klimatischer Zonen wirkte auf den Menschen, als er Homo erectus war und auf einer primitiven Stufe seiner kulturellen Entwicklung stand und seine Ausdehnung begrenzt war. Die ursprünglichen Subspezies des Menschen wurden während der biologischen Phase seiner Entwicklung ausgebildet, als er noch auf den Selektionszwang seines natürlichen Standortes reagier te. Schlachtwerkzeuge und Jagdgruppen gestatteten es selbst den Menschen mit halbem Gehirn, wanderndes Wild durch die ganze Alte Welt südlich der Winterfrostlinie von Europa und Afrika durch Westasien und Indien nach China, Südostasien und den größeren Inseln des indonesischen Archipels zu verfolgen. Aber ein Teil seiner Reaktion auf diese verschiedenen Orte ereignete sich sowohl auf biologischer als auch auf technologischer und sozialer Ebene.
Kenner der Naturgeschichte haben seit dem 19. Jahrhundert der zoogeographischen Verbreitung des Tierlebens Beachtung geschenkt. Dementsprechend haben sie die Welt in Faunagebiete aufgeteilt und jedes durch die charakteristische Spezies des dort ansässigen wilden Lebens gekennzeichnet. Die Alte Welt ist in vier Faunagebiete aufgeteilt, das Paläarktische, das Äthiopische, das Orientalische und das Australische.
Abgesehen vom Australischen Gebiet (dort haben sich keine Menschen entwickelt; sie sind vor rund 20000 Jahren dort eingewandert. Dasselbe gilt für die beiden Amerikas) sind die übrigen Regionen mit ihrem typischen wilden Leben folgendermaßen abgegrenzt:
ÄTHIOPISCH – Afrika südlich der mittleren Sahara und das südliche Drittel von Arabien. Afrikanischer Elefant, Giraffe, Zebra, Löwe, Gorilla, Strauß.
ORIENTALISCH – Indien, Südchina, Süd-Ost-Asien, Nord-Indonesien. Indischer Elefant, Tiger, Wasser büffel, malaiischer Tapir, Gibbon, Orang-Utan, Pfau.
PALÄARKTTSCH – Afrika nördlich der mittleren Sahara, Europa, ganz Asien außer der Orientalischen Faunaregion. Hirsch, Bison, Murmeltier, Biber, Hyäne, Schwein, Bär, Wildesel, Reh, Igel, Gebirgsschaf.
Wenn klimatische und topographische Grenzen so verschiedenartigen Tierarten Raum lassen, sich in ihren eigenen zoogeographischen Gebieten zu entwickeln, wäre es erstaunlich,
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