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Anthropofiction

Anthropofiction

Titel: Anthropofiction Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon E.Stover und Harry Harrison
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nichts getan.«
    »Das ist nicht das Problem. Begreifen Sie nicht? Unsere Rasse besitzt eine gewisse Würde. Wir streben Dinge an und vollenden sie. Wenn wir versagen, haben wir die tragische Befriedigung, nichtsdestotrotz Herren der Erde zu sein und über dem Tierreich zu stehen. Wir glauben an unsere Rasse und vertrauen auf unsere Fähigkeiten – wir könnten noch Großes vollbringen. Aber sollten wir selbst nicht mehr sein als die niederen Tiere, was zählen dann unsere großen Werke? Sehen Sie mich an, könnte ich mich länger Wissenschaftler nennen, wenn mir klar ist, daß ich eigentlich nicht mehr Bedeutung habe als ein Fisch, der sich irgendwo im Schlamm suhlt? Meine Arbeit wäre ohne Sinn.«
    »Mag sein, daß sie das ist.«
    »Ja, vielleicht«. Eisenberg musterte wild die Wände der Zelle. »Vielleicht nicht. Aber ich möchte mich nicht darin fügen. Ich will nicht. Möglich, daß Sie recht haben. Möglicherweise auch nicht. Es spielt keine gro ße Rolle, woher die X-Wesen stammen.
    Auf jeden Fall sind sie eine Herausforderung für die Menschheit. Doc, wir müssen fliehen und unsere Rasse warnen!«
    »Und wie?«
    Graves war längere Zeit sehr schläfrig, bevor er starb. Bill wachte fast ständig bei ihm, nur gelegentlich nickte er kurz ein. Er konnte für seinen alten Freund nichts tun als bei ihm sitzen, aber seine Bereitschaft vermittelte dem Sterbenden ein Gefühl der Solidarität.
    Eisenberg schlummerte unruhig, als Graves ihn beim Namen rief. Er erwachte sofort, obwohl es nicht mehr als ein Flüstern war.
    »Ja, Doc?«
    »Ich kann nicht viel reden, Junge. Danke für deinen Beistand.«
    »In Ordnung, Doc.«
    »Vergiß nicht, was du zu tun hast. Eines Tages kommt die Gelegenheit. Sei bereit und verpfusche sie nicht. Die Menschen müssen gewarnt werden.«
    »Ich komme hier raus, Doc. Ich schwöre es.«
    »Guter Junge.« Dann, nahezu unhörbar: »Gute Nacht, mein Sohn.«
    Eisenberg wachte bei dem Körper, bis er kalt und steif war. Erschöpft und seelisch zermürbt, sank er endlich in einen tiefen Schlaf. Als er erwachte, war der Leichnam verschwunden.
    Wieder allein, ohne Graves, erwies es sich als schwierig, die Moral aufrecht zu erhalten. Die Absicht, jede sich bietende Gelegenheit zu nutzen, um die Menschen zu warnen, war mehr als ernst, aber zuvor war die endlose Monotonie durchzustehen. Er konnte nicht einmal die Tage zählen wie ein Zuchthäusler, um der Langeweile zu trotzen. Sein ›Kalender‹ war nichts anderes als eine Zählung seiner Schlafperioden, die gewiß mit dem tatsächlichen Tagesrhythmus nichts mehr zu tun hatten.
    Die meiste Zeit danach war er nicht mehr ganz bei Verstand; Wahnsinn ist bei intelligentem Leben doppelt tragisch, weil ihm ein vielschichtiges Bewußtsein ausgesetzt ist. Er schwankte zwischen Ausbrüchen der Begeisterung und tiefster Niedergeschlagenheit, in welcher er sich umgebracht hätte, wäre ihm die Möglichkeit gegeben gewesen.
    Während der begeisterten Stimmung schmiedete er Pläne zur Bekämpfung der X-Geschöpfe – nach seiner Flucht. Er war nicht sicher, wie oder wann das sein sollte, aber im Augenblick rechnete er fest damit. Er selbst würde den Kreuzzug anfuhren; Flugzeuge mit Dieselmotoren würden die Todeszone der Säulen und der Wolke durchqueren; schwere Schiffsartillerie vermochte die Stabilität der Säulen zerstören. Sie würden sie zerschmettern und niederwerfen; die Erde wäre wieder das Königreich des Menschen, dem sie zugeeignet war.
    In den bitteren Perioden der geistigen Klarheit sah er deutlich ein, daß die schwache Maschinerie, zu der die menschliche Technik es gebracht hatte, Dieselmotoren oder nicht, keine ausreichende Kraft gegen jene Mächte und Kenntnisse darstellte, welche die Verantwortung für die Säulen trugen, die Graves und ihn auf so mysteriöse Weise entführt hatten. Sie waren unterlegen. Vermochten Goldfische ein Rollkommando gegen Boston zu organisieren? Was wäre eine Drohung der schnatternden Affen von Guatemala wert, die britische Marine zu versenken?
    Sie waren unterlegen. Die menschliche Rasse hatte ihren Zenit erreicht – der Punkt, an dem sie einsichtig werden mußte, daß sie nicht die am höchsten entwickelte Form des irdischen Lebens war, und dies Wissen war auf eine gewisse Art tödlich für sie; die Gewißheit allein, gerade so, wie diese Gewißheit ihn, Bill Eisenberg, langsam vergiftete. Eisenberg – homo piscis. Armer Fisch!
    Sein zerrütteter Verstand ersann schließlich eine Methode, deren Anwendung

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