Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anthropofiction

Anthropofiction

Titel: Anthropofiction Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon E.Stover und Harry Harrison
Vom Netzwerk:
angenommen, einmal würden sie uns holen, um etwas mit uns anzufangen. Uns vielleicht zu verhören. Doch es sieht nicht so aus, als verfolgten sie eine bestimmte Absicht mit uns.«
    »Es scheint nicht so.«
    »Warum sind wir trotzdem hier? Warum halten sie uns fest? Warum töten sie uns nicht?«
    Graves zögerte lange, bevor er antwortete. »Es kann sein, daß sie erwarten, wir wurden uns vermehren.«
    »Was?«
    Graves hob hilflos die Schultern.
    »Aber das ist ja lächerlich!«
    »Sicher. Aber woher sollten sie das wissen?«
    »Sie sind doch intelligent.«
    Graves kicherte, wie er es in letzter Zeit oft im Schlaf tat. »Kennen Sie das kleine Gedicht von Roland Young über den Floh? Es lautet:
     
    Der Floh ist ein gar lustig Tier,
    denn sein Geschlecht verbirgt er dir.
    Ihm selbst ist klar es und auch ihr.
     
    Insgesamt betrachtet, ist der sichtbare Unterschied zwischen Mann und Frau recht oberflächlich und beinahe unwichtig – außer für die beiden selbst.«
    Eisenberg fand diese Vorstellung widerlich, nahezu empörend; er lehnte sich dagegen auf.
    »Aber hören Sie, Doc – nur ein paar kleine Untersuchungen dürften ihnen zeigen, daß die Menschheit aus zwei Geschlechtern besteht. Immerhin sind wir keineswegs die ersten Personen, die sie studiert haben.«
    »Und wenn sie uns nicht studieren?«
    »Wie?«
    »Vielleicht halten sie uns bloß als ein Paar – Haustiere.«
    Haustiere! Bill Eisenbergs Moral hatte der Gefahr und der Ungewißheit widerstanden; aber diese Prüfung war weitaus tückischer. Haustiere! Er hatte Graves und sich als Kriegsgefangene begriffen, oder als Objekte wissenschaftlicher Forschung. Aber Haustiere!
    »Ich kann mir vorstellen, wie Sie sich fühlen«, begann Graves, der den Gesichtsausdruck seines Kollegen durchaus richtig verstanden hatte. »Es ist … vom anthropozentrischen Standpunkt her demütigend, erniedrigend. Aber ich glaube, es stimmt leider. Das mag Ihnen den Kern meiner Theorie verraten, und auch auf das Verhältnis von X zur menschlichen Rasse hinweisen. Viel mehr wage ich nicht zu behaupten, alles ist bloße Spekulation, auf sehr wenig Material gestützt. Aber es deckt sich mit den bekannten Fakten. Ich vermute, daß die X-Geschöpfe so gut wie nichts von der Menschheit wissen, sich nicht um sie kümmern und an ihr völlig desinteressiert sind.«
    »Aber sie haben uns gefangen!«
    »Mag sein. Oder wir sind rein zufällig in ihre Bereiche geraten. Viele kluge Männer haben an eine Ausrottung oder Versklavung der menschlichen Rasse durch nichtmenschliche Existenzen gedacht. Ohne einleuchtenden Grund nahmen sie zwei Möglichkeiten an: Invasion aus dem All, Krieg im Weltraum – oder Überflügelung der normalen Menschheit durch Mutanten, durch Übermenschen. Beide Konzeptionen setzen voraus, daß nichtmenschliche Existenzen uns genug ähneln, um uns zu bekämpfen oder mit uns zu reden – uns auf dieeine oder andere Weise als gleichwertig betrachten. Ich bezweifle, daß X ernsthaft beabsichtigt, die Menschheit zu versklaven oder gar zu vernichten. Wahrscheinlich studieren sie uns nicht einmal, wenn sie uns begegnen. Womöglich verspüren sie keine Neugierde beim Anblick einer affenartigen Kuriosität, die ihnen über den Weg hüpft. Beachten Sie, wie sorgfaltig studieren wir denn andere Lebensformen? Haben Sie jemals Ihre Goldfische über Goldfisch-Poesie oder Goldfisch-Politik befragt? Haben Sie sich erkundigt, ob die Termite sich für eine gute Hausfrau hält? Haben Sie schon nachgeforscht, ob Biber blonde oder brünet te Weibchen bevorzugen?«
    »Sie machen sich lustig.«
    »Nein, leider nicht. Sicherlich haben die erwähnten Lebensformen nicht so ausgefallene Ansprüche. Ich wollte verdeutlichen: ob sie nun solche haben oder nicht, wir würden es nie vermuten. Ich meine, daß X die menschliche Rasse nicht als intelligent einstuft.«
    Bill grübelte eine Weile, dann fragte er: »Woher kommen sie Ihrer Ansicht nach, Doc? Etwa vom Mars? Oder von außerhalb dieses Sonnensystems?«
    »Nicht unbedingt. Nicht einmal wahrscheinlich. Ich bin der Auffassung, daß sie vom selben Planeten stammen wie wir – geschaffen aus dem Staub dieser Erde .«
    »Also wirklich, Doc …«
    »Ich bin überzeugt davon. Und sehen Sie mich nicht so seltsam an. Ich bin etwas krank, aber nicht verrückt. Die Schöpfung dauerte acht Tage !«
    »Wie?«
    »Ich rede in Bibelworten. ›Und Gott segnete sie, und Er sagte zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch, und breitet euch über die Erde aus und macht

Weitere Kostenlose Bücher