Anthropofiction
eingeborenen Arbeiter – die Männer mit den Spitzhacken und Spaten, die langen Reihen von Korbträgern, die die Erde wegtrugen. Langsam und primitiv, wie die Zivilisation, deren Ruinen sie freilegten, ja, aber sie konnte die Fälle, in denen einer ihrer Spitzhackenarbeiter ein wertvolles Objekt im Boden beschädigt hatte, an den Fingern einer Hand abzählen. Wäre nicht der unterbezahlte und niemals klagende eingeborene Arbeiter gewesen, die Archäologie wäre noch auf dem Stand, auf dem Winckelmann sie vorgefunden hatte. Aber auf dem Mars gab es keine Eingeborenen-Arbeit; der letzte Marsianer war vor fünfzig Jahrtausenden gestorben.
Links von ihr, etwa fünfhundert Meter entfernt, begann etwas wie ein Maschinengewehr zu knallen. Ein Rammbohrer; Tony Lattimer hatte sich wohl entschieden, in welches Gebäude er als nächstes einbrechen würde. Jetzt wurde ihr das lästige Gewicht ihrer Ausrüstung bewußt, und sie begann es neu zu verteilen, indem sie die Riemen ihres Sauerstofftank-Tornisters verlagerte, die Kamera von der einen Schulter und den Proviant und das Zeichengerät von der anderen warf und die Notizbücher und Skizzenblocks unter den linken Arm klemmte. Sie begann die Straße hinunterzugehen, über kleine Hügel vergrabenen Bauschutts, um aus dem Löß hervorragende Mauerstümpfe herum, vorbei an noch stehenden Gebäuden, von denen einige schon aufgebrochen und erforscht waren, und über die mit Gestrüpp bewachsene Ebene zu den Hütten.
Es befanden sich zehn Leute im Zentralbüroraum von Hütte eins, als sie eintrat. Kaum hatte sie ihre Sauerstoff-Ausrüstung abgelegt, zündete sie sich eine Zigarette an, die erste seitMittag, dann sah sie einen nach dem anderen an. Der alte Selim von Ohlmhorst, der Deutsch-Türke, einer ihrer beiden Archäologenkollegen, saß am Ende des langen Tisches an der hinteren Wand, rauchte seine große geschwungene Pfeife und blätterte in einem Ringbuch. Der weibliche Geschützoffizier Sachiko Koremitsu saß zwischen zwei Hängelampen am anderen Ende des Tisches, den Kopf über ihre Arbeit gebeugt. Colonel Hubert Penrose, der Offizier der Raumflotte und Captain Field, der Nachrichtenoffizier, lauschten dem Bericht des Raumschiffpiloten, der von seinem nachmittäglichen Inspektionsflug zurückgekehrt war. Zwei weibliche Oberleutnants von der Nachrichtentruppe lasen das Abend-Fernsehprogramm durch, das zur Cyrano, die sich auf Umlaufbahn, sechstausend Kilometer über dem Planeten befand, und von dort über Lunar nach Terra übertragen werden sollte. Sid Chamberlain, der Transall Nachrichtendienstmann, war bei ihnen. Er war wie Selim und sie selbst Zivilist; er brachte diese Tatsache mit einem weißen Hemd und einem ärmellosen blauen Pullover zum Ausdruck. Und da war Major Lindemann, der technische Offizier, mit einem seiner Assistenten, die über einige Entwürfe auf einem Zeichenbrett diskutierten. Sie hoffte, während sie eine Handvoll heißes Wasser schöpfte, um ihre Hände zu waschen und ihr Gesicht abzuwischen, daß sie etwas für die Wasserleitung taten.
Sie setzte sich in Bewegung, um die Notiz- und Skizzenbücher hinüberzutragen, wo Selim von Ohlmhorst saß, und da drehte sie sich, wie sie es immer tat, zur Seite und blieb stehen, um Sachiko zu beobachten. Das japanische Mädchen restaurierte, was vor fünfzigtausend Jahren ein Buch gewesen war; ihre Augen waren hinter einem Doppelmikroskop versteckt, das schwarze Stirnband war auf ihrem glänzenden schwarzen Haar fast unsichtbar, und sie kratzte mit einem haarfeinen Draht an einem Kupferrohrgriff behutsam an der brüchigen Seite. Schließlich löste sie ein Partikel, winzig wie eine Schneeflocke, faßte es mit einer Pinzette, plazierte es auf die durchsichtige Plastikfolie, auf der sie die Seite rekonstruierte und befestigte sie mit einem Hauch Fixiermittel aus einer kleinen Sprühflasche. Es war eine reine Freude, ihr zuzusehen; jede Bewegung war so graziös und präzise, als werde sie nach hundertmaligem Proben zu Musik ausgeführt.
»Hallo, Martha. Es ist noch nicht Cocktail-Zeit, nicht wahr?« Das Mädchen am Tisch sprach, ohne den Kopf zu heben, fast ohne die Lippen zu bewegen, als hätte sie Angst, der leiseste Atem würde den flockigen Stoff vor ihr zerstören.
»Nein, es ist erst fünfzehn Uhr dreißig. Ich habe meine Arbeit da drüben beendet. Ich habe keine Bücher mehr gefunden, falls das eine gute Nachricht für dich ist.«
Sachiko nahm die Lupe ab, lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und wölbte
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