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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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gibt, so macht dies den Kern des Ubw [Unbewussten] aus.« (Bd. X, S. 294) Wir können daraus schließen, dass der Homo sapiens des Telefonzeitalters mit dem Höhlenmenschen und bestimmten höheren Säugetieren einen unzugänglichen, allmächtigen inneren Bereich gemeinsam hat, der sich Unbewusstes nennt.
    Das Unbewusste hat ein gutes Gedächtnis und vergisst nichts. Auch ein dreißig Jahre zurückliegendes Ereignis bleibt abgespeichert, zum Beispiel eine Kränkung. Freud dachte dabei an seine eigene Kindheit, an den von einem Antisemiten beleidigten Vater, der ihn an anderer Stelle wegen seines Gebrauchs des Nachttopfs erniedrigt hatte. All dies war in der unsterblichen Erinnerung eingebrannt, und seine Auswirkungen konnten sich noch Jahrzehnte später zeigen. Freud wollte, dachte, benannte und schuf ein Unbewusstes ohne Vergangenheit und Vergessen: Alles ist ewig, unabänderlich und unverändert präsent.

    Wir wissen zwar immer noch nicht, was das Unbewusste ist, aber wir haben nun eine Ahnung davon, was es enthält. Darüber hinaus erklärte uns Freud das, was er unter Dynamik des Unbewussten verstand. In der ersten Topik gibt es drei Hauptakteure: »Ics«, »Pcs« und »Cs«. Im »Ics« befinden sich die Triebe, die von Natur aus nach oben Richtung »Cs« streben, und zwar gemäß dem performativen Wunsch, das »Ics« solle zum »Cs« werden. Das Streben des Unbewussten zum Bewussten kann drei verschiedene Formen annehmen: Erstens kann es einfach zur Befriedigung kommen, wenn die unbewussten Begierden kein Risiko darstellen und von der Zensur, welche »Pcs« und »Cs« trennt, zum »Cs« durchgelassen wurden, das nun über die Verwirklichung des Wunsches entscheidet. Sobald der Wunsch ins Bewusstsein getreten ist, kann er leicht verwirklicht werden, und die Spannung schwindet.
    Die beiden anderen Formen betreffen Begierden, die sozial nicht akzeptabel sind. Sie dürfen nicht zum »Cs« vordringen, weil die Zensur gemäß Moral, Gesetz, Verboten und Sitten agiert. So entsteht die zweite Form, die Sublimierung, nämlich die Verwandlung eines sozial inakzeptablen Wunsches in einen sozial akzeptablen Wunsch: Ein erotischer Wunsch, der nicht zum »Cs« vordringen kann, könnte sich beispielsweise in einem künstlerischen oder philosophischen Werk ausdrücken. Freuds Texte über den Moses von Michelangelo, da Vincis Die Jungfrau und Kind mit der Heiligen Anna oder Jensens Gradiva sind als detaillierte psychoanalytische Darstellungen einer solchen Sublimierung gedacht.
    Die dritte Form ist die Verdrängung. In diesem Fall arbeitet die Zensur radikal und lässt sich nicht durch Sublimierung täuschen (welche man mit der erfolgreichen Verführung der Zensur durch den Wunsch vergleichen könnte). Der Wunsch wird auf das »Ics« zurückgeworfen, aus dem er kam, und legt dort den Grundstein für jede psychische Krankheit.
    Die Psychoanalyse behauptet von sich, diese Verdrängung benennen
und durch die analytische Arbeit zu Bewusstsein bringen zu können, wodurch der Patient geheilt werde. Spreche der Patient das Verdrängte aus und decke der Analytiker die Gründe für die Verdrängung auf – meistens ein altes Kindheitstrauma –, verschwinde das Symptom, so Freud.
    Doch wie erlangt man Zugang zu diesem unsichtbaren, allmächtigen Unbewussten? Führen Geheimgänge in die Festung hinein? Wir wissen nicht, was es ist, wissen nur wenig darüber, was es enthält, kennen in groben Zügen seine Dynamik und können uns nun damit beschäftigen, wie man hineinkommt  – nämlich durch Träume, Albträume, einen Lapsus, Fehlleistungen, Witze, Ironie oder das Vergessen von Eigennamen, Ortsnamen, Dingen, Eindrücken oder Vorhaben, aber auch durch Missgeschicke, Rechenfehler, Schusseligkeiten und alles andere, was Freud zur Psychopathologie des Alltagslebens zählt.
    Wir haben es also mit einem seltsamen Paradoxon zu tun, das sich beschreiben lässt, wenn man ein vertrautes Bild umkehrt. Das Unbewusste erscheint als Kreis, dessen Mittelpunkt überall ist und dessen Umfang nirgends; es wirkt wie ein von einem idealistischen Philosophen erdachtes Noumenon; es ist nicht mit Worten zu beschreiben, lediglich die Verwendung von Allegorien, Raum-Metaphern und algorithmischen Bildern deutet darauf hin, dass man sich seinem Schatten vielleicht nähern könnte; es schwebt im Ideenhimmel wie ein Ding an sich, unsichtbar und doch allmächtig; es ist unaussprechlich und strebt nach allem, was existiert; es wirkt wie eine unbesiegbare düstere

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