Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert
Geschichtsschreibung – und allen voran Freud – verschwieg tunlichst Antiphon von Athen, der allem Anschein nach der Erfinder der Psychoanalyse in ihrer heutigen Bedeutung war! Über die Person selbst wissen wir fast nichts, außer dass er von der herrschenden Historiographie in die überaus praktische Schublade der Sophisten eingeordnet wird und dass er seine Ratschläge als Analytiker im 5. Jahrhundert vor Christus auf der Agora von Korinth erteilte. Er lehrte, dass die Seele den Körper regiere, ohne jedoch zu behaupten, dass beide Instanzen voll und ganz voneinander getrennt seien; er verdiente sein Geld mit der Deutung von Träumen mithilfe der ihnen innewohnenden Zusammenhänge in Bezug auf aktuelle Situationen und verfasste ein nicht erhaltenes Buch mit dem Titel Die Kunst, kummerfrei zu leben.
Durch den Pseudo-Plutarch ist überliefert, dass Antiphon auch eine Form von Logotherapie entwickelte. Demnach hatte er in der Nähe der Agora eine Art Praxis, in der er seelische Beschwerden durch Gespräche behandelte, nach den Ursachen des Leids fragte und die Kranken tröstete. Der gleiche Autor berichtet, dass Antiphon seine Theorien auch auf Konferenzen vortrug. Gorgias, ein anderer Sophist, lehrte, dass man mit Worten behandeln und heilen könne – und genauso streng und einfach definiert Freud seine Disziplin in Die Frage der Laienanalyse (Bd. XIV, S. 213 f).
Auch das Christentum dachte so. Die christliche Medizin der Austreibung ging von denselben Annahmen aus, nämlich dass
man das Böse durch heilende Worte, vorgeschriebene Gesten, therapeutische Rituale und bestimmte Zeremonien austreiben könne, die ein im Exorzismus bewanderter Priester nach genauen Vorgaben durchführte. Noch heute hat jedes Bistum einen derart ausgebildeten Priester.
Die sogenannte traditionelle Medizin reicht von den Anfängen der Menschheit bis ins postindustrielle 21. Jahrhundert. Sie zeugt von dem seit jeher weitverbreiteten Glauben an Therapeuten, Zauberer, Hypnotiseure oder Hexer. Das magische Denken nimmt stets die Form – und nur die Form – der zeitgenössischen Wissenschaft an und gründet doch immer im Irrationalen, das sich wünscht, der Schamane möge die Übel einer Kraft hinwegnehmen, welche die Grenzen der Wissenschaft sprengt.
Eine dieser parawissenschaftlichen Erscheinungsformen war die Hypnose, genau wie der Mesmerismus oder Breuers – und später Freuds – Couch. Ist es nicht erstaunlich, dass die Psychoanalyse aus eben diesem magischen Denken des 19. Jahrhunderts hervorging, in dem auch die von Samuel Hahnemann erfundene Pseudowissenschaft namens Homöopathie populär wurde? Obwohl oder gerade weil die homöopathischen Medikamente nicht einmal Spuren chemischer Substanzen enthielten, behauptete die Homöopathie, diese vielfach verdünnten Flüssigkeiten könnten heilen. Wir haben es wieder einmal mit dem Placeboeffekt zu tun.
Ich mag die Gemälde von Hieronymus Bosch, die sich jeder Analyse verweigern. Sie zeigen seltsame Paradiese und mysteriöse Höllen, die wahrscheinlich mit einer obskuren, bis heute unbekannten millennaristischen Sekte in Zusammenhang stehen. Aus diesem Grund entzeiht sich der Großteil dieser Bilder bis heute einer Interpretation. Aber zwei von Boschs meisterlichen Ölgemälden vom Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts bringen schon damals die Psychoanalyse zum Ausdruck, wie sie sich später zeigen sollte: Das Steinschneiden (um 1494) und Der Gaukler (um 1502).
Das Thema des ersten Bildes ist nicht besonders originell – man findet es in einigen zeitgenössischen Werken – und geht auf den damaligen Glauben zurück, das Verrücktsein werde durch einen Fremdkörper im Gehirn ausgelöst, den man nur entfernen müsse, um wieder gesund zu werden. Boschs Gemälde zeigt einen Mann mit allen Attributen eines Chirurgen, der über den Schädel des Patienten gebeugt ist und sich anschickt, den Stein – als der der Fremdkörper zumeist gesehen wurde – herauszuschneiden. Zeugen sind ein Mönch und eine Nonne, die ein Buch auf dem Kopf trägt! Man kann erahnen, dass der Chirurg, ausgestattet mit einem Narrentrichter auf dem Kopf, einen Stein aus der Tasche ziehen und ihn dem armen Patienten zeigen wird. Der Dummkopf wird sich durch die blutige Kompresse, die Operation und den Anblick des Steins geheilt fühlen – und den Scharlatan selbstverständlich bezahlen. Bosch malte hier nichts anderes als den Placeboeffekt.
Wahrscheinlich ist es der gleiche Stein, den wir
Weitere Kostenlose Bücher