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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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oft klar und deutlich, dass er kein Philosoph sei, sondern ein Wissenschaftler. Doch der Erfinder der Psychoanalyse ist keinen Deut mehr Wissenschaftler als Shakespeare oder Cervantes, um zwei seiner Lieblingsautoren zu nennen. Ob es ihm gefallen hätte oder nicht: Freud war ein Philosoph, der mittels seiner Intuitionen zu vorgeblich universellen Wahrheiten gelangte. Er entwickelte seine Gedanken von sich selbst ausgehend und hatte dabei sein persönliches Wohl im Blick. Seine Theorie entspringt seiner Biographie, und zwar von der ersten bis zur letzten Zeile. Nicht in der Lage, an sich selbst zu erkennen, was er bei anderen so gut zu analysieren vorgab, erklärte Freud, was die Philosophie ausmache: Sie sei eine Weltanschauung. Dann entwickelte er über ein halbes Jahrhundert lang seine Theorien und präsentierte sie als – Weltanschauung. Aber er wollte auf keinen Fall ein Philosoph sein!

    Freud hat viel gelesen, vor allem philosophische Texte. Aber er verschwieg, welche Texte es waren, wann er sie gelesen hat, was davon für ihn wichtig war, welche Quellen und Einflüsse es gab, welches Verhältnis er zu diesem oder jenem großen Denker oder Gedanken hatte. So müssen wir zu Archäologen werden und überall nach Fundstücken suchen, Spuren verfolgen und insbesondere dort zu graben beginnen, wo der Philosoph Freud Anleihen bei der Philosophie gemacht hat, um seine mit dem Anstrich der Wissenschaft versehene Weltanschauung zu gestalten.
    Wir wollen zeigen, inwiefern die Biographie eines Autors Ausgangspunkt seiner Gedanken und Theorien ist. Dazu werden wir eine Denkbewegung Freuds untersuchen, die seine Entmachtung der Philosophie und der Philosophen rechtfertigen soll. Hierbei wird deutlich werden, dass keine Theorie vom Himmel fällt, sondern dahinter immer ein Mensch steht, der sie entwickelt, um seine eigenen Triebdynamiken zu legitimieren. Eine solches Gedankengebäude ist die Kryptomnesie. In Anbetracht dessen, was der Begriff bedeutet, wird man vielleicht verstehen, dass sie noch klarer als jedes andere Konstrukt vor dem Hintergrund einer Biographie zustande gekommen ist.
    Das Wort Kryptomnesie begegnet uns in einem Buch Freuds, aber auch in einem Brief an Israel Doryon vom 7. Oktober 1938. Es findet sich in Die endliche und die unendliche Analyse (1937) in Zusammenhang mit der Betrachtung der Ursachen für den Lebenstrieb und den Todestrieb, zwei Begriffe, die Freud 1920 in Jenseits des Lustprinzips einführte, als er eine Neuformulierung seiner Topik der Triebe unternahm.
    In Freuds Werk strebt der Lebenstrieb nach dem Erhalt des Lebens und nach Zusammenhalt und Einheit alles Lebendigen. Der Todestrieb dagegen strebt nach Zerstörung und nach Rückkehr in den Zustand vor dem Leben, mit anderen Worten: ins Nichts. Freud erwähnt auch das Nirwanaprinzip  – ohne jedoch die Urheberin, seine Schülerin Barbara Low, zu benennen – und zeigt sich in seinen Ausführungen über die Beziehung von Eros und
Thanatos verwundert darüber, dass Empedokles bereits vor ihm eine ähnliche Theorie entwickelt hatte.
    Der Philosoph aus Agrigent, der im fünften Jahrhundert vor Christus lebte, vertrat in seinem großen Gedicht über die Natur die These, allem liege letztlich der Konflikt zwischen Liebe und Hass zugrunde. Diese beiden aktiven Kräfte bestimmten das Verhältnis der vier Elemente, welche zusammen die Wirklichkeit bildeten. Die Liebe führe die Teilchen zusammen, der Hass zerstöre die Einheit. Die Wirklichkeit konstituiert sich nach Empedokles aus dem ewigen Zusammenspiel dieser Kräfte. Könnte Freuds Theorie vom Lebens- und Todestrieb Anleihen bei Empedokles’ philosophischem Text gemacht haben? Der Frage, ob er ihn gelesen habe oder nicht, ist Freud ausgewichen, doch er bestätigte, die eigene Theorie bei »eine[r] der großartigsten und merkwürdigsten Gestalten der griechischen Kulturgeschichte« wiedergefunden zu haben ( Die endliche und die unendliche Analyse, Bd. XVI, S. 90 f). Es folgt ein Panegyrikum der außergewöhnlichen Talente dieses Mannes, der »von seinen Zeitgenossen […] wie ein Gott« (ebd., S. 91) verehrt wurde.
    Damals schenkten die Psychoanalytiker der Theorie von den beiden Trieben keinen Glauben. Doch Freud mochte es nicht, wenn man sich ihm widersetzte. So war er hocherfreut, als er den Gegnern in der Psychoanalytischen Vereinigung einen genialen vorsokratischen Philosophen präsentieren konnte, der zu dem gleichen Schluss gekommen war wie er selbst! Nun sah sich die unfähige

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