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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Hypothese reizt mich.

III.
Ist Freuds Lehre nietzscheanisch?
    »In meiner Jugend bedeutete er [Nietzsche]
mir eine mir unzugängliche Vornehmheit.«
    Sigmund Freud, Brief an Arnold Zweig, 12. Mai 1934
(Freud/Zweig, Briefwechsel, S. 89)
     
     
    Freuds Widerstand gegen jemanden, dem er allem Anschein nach viel verdankte, ist verständlich. Jemandes Sohn zu sein, einem Vater etwas zu schulden, versetzte Freud in einen psychischen Zustand, in dem er großes Talent für den Vatermord bewies. Es überstieg einfach seine libidinösen Kräfte, einzugestehen, was er Schopenhauer oder Nietzsche verdankte. Doch viele freudsche Begriffe, die heute längst in die Alltagssprache übergegangen sind, lassen sich als Ergebnis einer kosmetischen Anstrengung begreifen, mit der Freuds Aneignung von originär nietzscheschem Denken versteckt werden sollte.
    Glaubt man den Analytikern, die Freud bei den Treffen der Psychoanalytischen Vereinigung begegnet sind, ging viel von Nietzsches Vokabular auf Freud über: die sexuelle Ätiologie der Neurosen; die Rolle der Unterdrückung der Instinkte bei der Entstehung der Zivilisation, Kultur, Kunst und Moral; die Logik der Abreaktion; die Strategien der Verdrängung; die Verleugnung und Spaltung des Ich; die Flucht in die Krankheit, die Somatisierung; der unbewusste Ursprung des Bewusstseins; die Bedeutung der Selbstbeobachtung für die Entstehung des Selbst; die Kritik der herrschenden christlichen Moral, welche Schuld trägt an der Entstehung individueller und kollektiver Pathologien; die Beziehung zwischen Schuld, schlechtem Gewissen und
Triebverzicht. Diese Aufzählung entstammt den Berichten der Psychoanalytiker selbst, die in Freuds Gegenwart vorgetragen wurden.
    Die Liste allein verdeutlicht bereits, in welchem Maß Freuds Lehre Nietzsches Lehre entspricht. Rufen wir unseren formatierten Gehirnen nochmals in Erinnerung, dass der Nietzscheanismus nicht einfach eine Summe aller Gedanken Nietzsches ist (beispielsweise von der ewigen Wiederkehr des Gleichen, der Theorie vom Willen zur Macht oder vom Übermenschen). Vielmehr gehört dazu auch alles Denken, das sich ausgehend von Nietzsches philosophischer Baustelle entwickelt hat. Man wird bei Freud nichts über das Recycling der Theorie von der ewigen Wiederkehr des Gleichen oder die Rolle der Musik beim Aufbau einer neuen Zivilisation finden.
    Aber unsere Untersuchung wird im Detail ausführen, dass Freuds Unbewusstes viel mit dem Willen aus Schopenhauers Die Welt als Wille und Vorstellung oder dem Willen zur Macht aus Nietzsches Jenseits von Gut und Böse gemeinsam hat. Die blinde Macht ist bei allen drei Philosophen das beherrschende Gesetz. Und sie ist es auch, die den freien Willen unmöglich macht. Sie begründet eine Tragik der Notwendigkeit und produziert so viele Verästelungen, wie es Variationen über ein Thema gibt. An der Macht wird sich auf andere Weise zeigen, dass Freuds Lehre ein Nietzscheanismus ist. Insofern wird dem scharfsichtigen Adler recht zu geben sein, der diesen Zusammenhang von Schopenhauer über Nietzsche bis Freud benannt hatte. Doch das ist eine andere Baustelle.
    Ein weiterer Ansatz – und mithin jener dieses Buch – untersucht, inwiefern Freud ein Beleg für Nietzsches These ist, der zufolge alle Philosophie ein autobiographisches Bekenntnis ihres Autors ist. Ich stelle die Hypothese auf, dass hierin der Hauptgrund der freudschen Ablehnung Nietzsches besteht. Freud wollte nicht wissen, was er längst wusste: dass er als Philosoph – der er immer war – eine von ihm selbst ausgehende Weltanschauung
erschaffen hatte, um die eigene Haut zu retten. Freud war es unmöglich, diese Tatsache zuzugeben, widersprach sie doch zu stark seinem erklärten Willen, sich auf dem wissenschaftlichen Gebiet der Beweise und Beweisführungen, der experimentellen Methoden, der Laborarbeit, der klinischen Beobachtung und des Allgemeingültigen zu positionieren. Freuds Pfeile zielten deshalb ins Herz von Nietzsches Denken: Jede Philosophie gründet in einer Autobiographie.
    In Fröhliche Wissenschaft ist nachzulesen, dass unbewusste Versuche, körperliche Bedürfnisse hinter Objektivität und Intellektualität zu verstecken, enorme Ausmaße annehmen könnten. Nietzsche habe sich oft gefragt, ob die bisherige Philosophie sich letztlich nicht als Exegese und Missverständnis des Körpers beschreiben lasse. Freud hat unbewusst seine physiologischen Bedürfnisse verborgen und Objektivität für sich reklamiert.
    Und er setzte

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