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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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und so zerstörte er mit großer Begeisterung immer mehr Teller und Schüsseln aus dem Familienbesitz.
    Freud vergleicht diese alte Geschichte mit einem ähnlichen Fall aus seiner Praxis und folgert daraus, das so handelnde Kind aktiviere ein »magisch[es]« Denken ( Eine Kindheitserinnerung aus ›Dichtung und Wahrheit‹, Bd. XII, S. 21). Denn das zerstörte Geschirr beziehe sich auf ein bestimmtes Ereignis, in Goethes Fall auf die Geburt des kleinen Bruders, der dem Älteren als Bedrohung erscheint. Der Eindringling sei eine Gefahr, weil er den Älteren zwingt, die Liebe seiner Eltern zu teilen. Als Herr über diese Magie schließt Freud, das Zu-Boden-Werfen schwerer Gegenstände beziehe sich auf die Mutter. Ein Tellerwurf als Zurückweisung des kleinen Bruders! Das ist wahrlich magisches Denken.
    Goethes Dichtung und Wahrheit, die Szene mit dem zerbrochenen Geschirr und der ähnliche Fall des Patienten auf dem Diwan boten Freud genug Gelegenheiten, auf sich selbst Bezug zu nehmen  – natürlich ohne es dem Leser mitzuteilen. In einem Brief an Fließ vom 3. Oktober 1897 berichtete er, wie sehr er bei der Geburt seines kleinen Bruders persönlich empfunden habe, was er aus der Analyse eines Dritten abgeleitet haben wollte, nämlich dass »ich meinen ein Jahr jüngeren Bruder (der mit wenigen Monaten gestorben) mit bösen Wünschen und echter Kindereifersucht begrüßt hatte und von seinem Tod der Keim zu Vorwürfen in mir geblieben ist.« ( Briefe an Wilhelm Fließ, S. 288)
    Freud hatte also negative Gedanken bei der Geburt seines jüngeren Bruders Julius? Dann muss natürlich jeder solche bösen Gedanken hegen, wenn ein jüngeres Geschwisterchen geboren wird, das auf immer und ewig ein Rivale ist. Schließlich kannte auch Goethe, wie der ihm ebenbürtige Freud, dieses Gefühl. Wie zum Beweis warf er Teller zu Boden, was an der Geburt seines kleinen Bruders gelegen haben musste. Eine allgemeine Theorie wird hier als universelle wissenschaftliche Wahrheit präsentiert. Wer sich über die Ankunft eines kleinen Bruders gefreut hat, wie
ich zum Beispiel, hat also nur seinen unbewussten Wunsch versteckt, sich des Neuankömmlings zu entledigen.
    Der kleine Text enthält noch eine weitere freudsche Perle. Dass Freud von Goethe ausgeht und zu sich selbst überleitet, ist bei ihm eine gängige Methode. Der Psychoanalytiker schließt mit einer These, die letztlich doch zu einem unfreiwilligen Geständnis wird: »Wenn man der unbestrittene Liebling der Mutter gewesen ist, so behält man fürs Leben jenes Eroberergefühl, jene Zuversicht des Erfolges, welche nicht selten wirklich den Erfolg nach sich zieht.« Weiter heißt es: »Und eine Bemerkung solcher Art wie: Meine Stärke wurzelt in meinem Verhältnis zur Mutter, hätte Goethe seiner Lebensgeschichte mit Recht voranstellen können.« ( Eine Kindheitserinnerung aus »Dichtung und Wahrheit«, Bd. XII, S. 26) Freud allerdings auch.
     
    Denn schon von frühester Kindheit an war Freud der Liebling seiner Mutter Amalia. Sie glaubte, aus ihm werde einmal ein Genie, ein Held, ein berühmter Mann, und sagte ihm das regelmäßig. Dies werden wir später noch genauer untersuchen. Freud richtete sein Leben darauf aus, seiner Mutter diese Freude zu machen – auf Kosten der sexuellen Freude, über die er pausenlos fantasierte. Diese Liebe rechtfertigte, dass er sich auf ein Treppchen mit Kopernikus und Darwin stellte, gar selbst den ersten Platz beanspruchte, und dass er sich als Reaktion auf die zugefügte Kränkung  – die Nichtverleihung des Nobelpreises – selbst durch eine Kränkung an der Menschheit rächte. Das also sind die Beweise für die Wissenschaftlichkeit der Behauptungen des Wiener Philosophen.
    Das Wort »Eroberer« in der eben zitierten Passage des versteckt autobiographischen Textes lässt sich mit einem Anspruch Freuds zusammenbringen, der sich durch alle seine Schriften zieht. Er wollte Wissenschaftler sein und auf keinen Fall Philosoph. Doch wie konnte er eine Stellung als »Conquistador« für sich reklamieren? An Fließ schrieb er am 1. Februar 1900 tatsächlich: »Ich bin
nämlich gar kein Mann der Wissenschaft, kein Beobachter, kein Experimentator, kein Denker. Ich bin nichts als ein Conquistadorentemperament, ein Abenteurer, wenn Du es übersetzt willst, mit der Neugierde, der Kühnheit und der Zähigkeit eines solchen. Solche Leute pflegt man nur zu schätzen, wenn sie Erfolg gehabt, wirklich etwas entdeckt haben, sonst aber sie beiseite zu werfen.

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