Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert
Bereits im Uterus verweigerten sie sich diesem vorgezeichneten Weg ins Nichts. War das Bild Gottes in Das Unbehagen in der Kultur noch das »eines großartig erhöhten Vaters« (Bd. XIV, S. 431), so erschien er nun als jener Mann, den es zu besiegen galt! Freud war unbestreitbar ein militanter Atheist. Ob das gut oder schlecht war, sei dahingestellt – verständlich ist es immerhin.
Auch das übrige Werk krankt an dieser inzestuösen Pathologie, die Freud nie losließ. An oberster Stelle stand natürlich der Ödipuskomplex, das Herzstück von Freuds Psychopathologie. Von diesem leiten sich weitere Konzepte ab: die Kastrationsangst, der Penisneid der Frau, die Konzeption der Homosexualität als Unterbrechung einer sogenannten normalen Entwicklung zur Geschlechtlichkeit, die Sublimierung aufgrund der Verdrängung des angeblich historisch begründeten Inzests, welche während der Analyse entdeckt werden kann. Das gesamte freudsche Theoriegebäude basiert auf dieser angeblich wissenschaftlichen Entdeckung, die doch letztlich nur ein banaler Kinderwunsch war, nämlich das Begehren eines kleinen Jungen für seine Mutter.
Welche Frau entschied sich für den Mann, dessen Archetyp der Libido die unerreichbare Mutter war? Eine Verlobte, die vier Jahre lang nicht entjungfert wurde; eine Ehefrau, die nur selten berührt wurde – gerade oft genug, um sie zu schwängern –; eine Frau, deren Mann nicht mehr mit ihr schlief, sobald die Familie komplett war, der seine Sexualität bald nicht mehr auf seine junge Frau richtete, die nun Mutter geworden war, und stattdessen ausgerechnet die Schwester seiner vernachlässigten Frau erwählte, was er in seinen Briefen an Fließ auch zugab. Sie war ein junges Mädchen, das aus der Ferne geliebt wurde und die Beziehung überwiegend per Brief führen musste. Sie wurde nur auf dem Papier begehrt. Als Freuds Ehefrau bekam Martha Bernays sechs Kinder in acht Jahren, zwischen dem 16. Oktober 1887 und dem 3. Dezember 1895. Als Mutter war sie zu sexueller Abstinenz gezwungen, denn Freud suchte nach dem perfekten Verhütungsmittel
und nutzte dessen Fehlen als Erklärung für seine sexuellen Unzulänglichkeiten. Martha ertrug Freuds Fremdgehen und die inzestuöse Sexualität mit seiner Schwägerin. Wie es der Zufall will, sind die entsprechenden Briefe nicht zugänglich. Freud, von der Liebe zu seiner Mutter bestimmt, versuchte sein Leben lang erfolglos, dem Labyrinth der Libido zu entfliehen.
Ein einzigartiger Moment in Freuds Biographie erlaubt uns, seine inzestuöse Psyche zu begreifen. Die genaue Geschichte findet sich in einem Brief an Eduard Silberstein vom 4. September 1872. Im Alter von sechzehn Jahren war Freud bei Freunden seiner Eltern, der Familie Fluß, untergebracht. Er verliebte sich in die dreizehnjährige Tochter des Hauses. Im Brief änderte er diese Zahlen, die ihm nicht gefielen, und machte sich siebzehn und das Mädchen fünfzehn Jahre alt. Familie Fluß war in der Freiberger Textilindustrie zu Wohlstand gekommen – in der gleichen Branche, in der Jakob Freud wegen einer angeblichen Krise des gesamten Industriezweigs gescheitert war. Freud war schwer verliebt und sehr schüchtern. Drei Tage lang behielt er seine Gefühle für sich. Dann endete der Besuch, und Freud hatte keine Zeit mehr für ein Liebesgeständnis. Er war überzeugt, dass er mit dem Mädchen hätte glücklich werden können, und machte die wirtschaftliche Unfähigkeit seines Vaters für die Trennung verantwortlich. Glücklos aus Freiburg abgereist, saß er nun traurig in Wien – einer Stadt, die er nie wirklich lieben lernte.
In seinem Brief an den Freund Silberstein erklärte Freud die Liebe mit einer Übertragung der Libido: Die junge Gisela sei nur ein Vorwand gewesen und das tatsächliche Liebesobjekt ihre Mutter, die natürlich Freuds Mutter hätte sein können! Nun folgten lange Dithyramben über die Vorzüge dieser Frau. Sie hatte anscheinend alle Qualitäten, die man sich denken kann: Sie stammte aus bürgerlichem Hause, hatte gute Manieren, klassische Bildung, die richtige Meinung in allen Dingen, Interesse an Politik, die Fähigkeit, gemeinsam mit ihrem Mann eine Firma zu leiten, genug
Autorität, um das Personal zu führen, und sieben wohlerzogene Kinder, um deren Wohlergehen sie stets besorgt war. Sie erfüllte alle Mutterpflichten – ganz im Gegensatz zur eigenen Mutter, wie Freud Silberstein nebenbei wissen ließ. Sie hatte Talent zur Haushaltsführung, war häuslich, stets gut
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