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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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besten zum Fortbestand der Spezies beitragen kann. Wir sind Opfer der Natur und haben keine Wahl. Würden diese Triebe nicht kulturell eingedämmt, gefährdeten sie die gesamte Gesellschaftsordnung. Und Freud war nicht nihilistisch genug, um diese soziale Struktur zu zerstören.
    Die unbefriedigten Bedürfnisse seien es, die die moderne Nervosität auslösten oder in Ersatzbefriedigung und Perversionen mündeten, also die Ausrichtung der Libido auf nicht geschlechtliche Objekte. Zu diesen Fehlsteuerungen oder Perversionen zählte Freud auch Homosexualität und Masturbation. Sexualität zielte für ihn auf ein sogenanntes normales, nämlich heterosexuelles Geschlechtsleben. Jede Abweichung von diesem Schema bezeichnete er als »Perversion«.
    Da die Unterdrückung der Instinkte und Triebe die Basis jeder Kultur und Gesellschaft bildet und folglich notwendig ist, wollte Freud keine Revolution, sondern er gab sich mit einer Reform zufrieden. Sein Ideal war eine freie, autonome, von sozialen
Verpflichtungen unabhängige Sexualität, doch daran war nicht zu denken, denn Ideale sind nicht von dieser Welt, und man muss sich mit der Realität abfinden. Freud gab sich also mit einer kleinen Verbesserung zufrieden: Er wünschte sich ein verlässliches Verhütungsmittel. Weiter reichten seine Ambitionen zur sexuellen Befreiung nicht.
    Das schon von Nietzsche kritisierte Dogma der Monogamie führte laut Freud also zur Entstehung von Neurosen, Leiden, Unwohlsein, Hysterie sowie Geistes- und Gefühlskrankheiten. Manche Menschen entgingen diesem Schicksal, indem sie sublimierten, also ihre unterdrückte und verdrängte sexuelle Energie in intellektuelle Ersatzobjekte mit hohem Symbolwert umleiteten. Dazu gehören nach Freud die Künste, Literatur, Philosophie, Religion, Poesie und Politik. Der Trieb sei noch genauso stark, er breche sich nur anders Bahn: »Man nennt diese Fähigkeit, das ursprünglich sexuelle Ziel gegen ein anderes, nicht mehr sexuelles, aber psychisch mit ihm verwandtes, zu vertauschen, die Fähigkeit zur Sublimierung.« ( Die »kulturelle« Sexualmoral und die moderne Nervosität, Bd. VII, S. 150)
    Und die Psychoanalyse? Freud baute vor: »Ein abstinenter Künstler ist kaum recht möglich, ein abstinenter junger Gelehrter gewiß keine Seltenheit. Der letztere kann durch Enthaltsamkeit freie Kräfte für sein Studium gewinnen, beim ersteren wird wahrscheinlich seine künstlerische Leistung durch sein sexuelles Erleben mächtig angeregt werden.« (ebd., S. 160) Freud war eindeutig der Wissenschaftler, also konnte er durch seine Enthaltsamkeit Kräfte für das Studium freisetzen. Die Sublimierung war mithin ein weiteres Konzept, das ihm äußerst gelegen kam: Sie rechtfertigte seine (eheliche) sexuelle Abstinenz und lieferte die Erklärung für ein intellektuelles Konstrukt, das der geliebten, sublimierten, geschätzten, behüteten, angebeteten, verehrten Mutter gewidmet war. Amalia war als sexuelles Ideal dermaßen unerreichbar, dass Freud theoretisch Abstinenz, Verzicht und Askese bevorzugte – auch wenn diese kantianische Position praktisch
an Onanie, schuldbehafteten Ehebruch und andere neurotische Ersatzaktivitäten gekoppelt war.
    Laut Freud produzierte der gesellschaftlich auferlegte sexuelle Verzicht kastrierte, handlungsunfähige Männer. Er brachte keine energiegeladenen Befreier oder Reformatoren hervor, sondern nutzloses Fleisch. Denn Frauen, so Freud, bevorzugten Männer, »die sich schon bei anderen Frauen als Männer bewährt haben.« (ebd.) In dieser Situation böten sich den Frauen nur zwei Möglichkeiten: Sie könnten ihre Ehemänner betrügen oder die einsame Befriedigung suchen, was direkt in die Neurose führe. Weil die Gesellschaft die erste Möglichkeit verbiete, flüchteten sie sich in die zweite. Sie seien frigide, klammerten sich an Vater und Mutter, kümmerten sich nicht um ihre Männer und konzentrierten den Großteil ihrer Libido auf ihre Kinder. Am 6. November 1911 schrieb Freud an Emma Jung: »[D]ie Ehe ist längst amortisiert, jetzt gibt es nichts mehr, als – Sterben.« (Freud/Jung, Briefwechsel, S. 504) Doch Freud hatte es mit dem Sterben nicht so eilig.
    Hellsichtig schrieb er deshalb, dass es »befriedigenden Sexualverkehr in der Ehe nur durch einige Jahre [gibt], natürlich noch mit Abzug der zur Schonung der Frau aus hygienischen Gründen erforderten Zeiten. Nach diesen drei, vier oder fünf Jahren versagt die Ehe, insofern sie die Befriedigung der sexuellen Bedürfnisse

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