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Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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Verkaufsmethoden der bodenständigen Trader und hat einen höheren statistischen Stellenwert als irgendetwas sonst auf dem Planeten. Simons meint, er würde nie einen Wirtschaftswissenschaftler oder Finanzspezialisten anstellen, sondern lediglich Physiker und Mathematiker, die sich mit Mustererkennung befassen und die, ohne zu theoretisieren, Zugriff auf die interne Logik der Dinge haben. Er lehnt es generell ab, Wirtschaftswissenschaftlern zuzuhören oder ihre Artikel überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.
    Der großartige Wirtschaftswissenschaftler Ariel Rubinstein begreift die Grünholztäuschung – es bedarf einer Menge Intelligenz und Aufrichtigkeit, um die Dinge so zu sehen. Rubinstein ist einer der führenden Wissenschaftler auf dem Bereich der Spieltheorie, wozu auch Gedankenexperimente gehören; außerdem ist er einer der profundesten Experten in der Frage, in welchen Cafés auf unserem Planeten es sich am besten denken und schreiben lässt. Rubinstein würde nie behaupten, sein theoretisches Wissen ließe sich – von ihm – direkt in irgendwelche praktischen Anweisungen umsetzen. Seiner Auffassung nach sind wirtschaftswissenschaftliche Theorien Fabeln vergleichbar – der Autor von Fabeln hat die Aufgabe, Ideen anzuregen, indirekt vielleicht auch die Praxis zu inspirieren, aber ganz sicher sollte er nicht die Praxis lenken oder in einer bestimmten Weise festlegen wollen. Die Theorie sollte unabhängig bleiben von der Praxis und umgekehrt – und wir sollten nicht die Wirtschaftswissenschaftler aus ihren Universitäten holen und sie auf Positionen mit Entscheidungsbefugnissen hieven. Die Wirtschaftswissenschaften sind im strengen Sinn keine Wissenschaft und sollten nicht als beratende Instanz in der Politik herangezogen werden.
    In seinen intellektuellen Memoiren erzählt Rubinstein, wie er einmal einen Verkäufer in einem levantinischen Suk dazu überreden wollte, anstelle der überlieferten Verhandlungsmethoden Elemente aus der Spieltheorie in sein Verkaufsverhalten mit einzubauen. Es gelang mit der von Rubinstein vorgeschlagenen Methode nicht, einen Preis zu ermitteln, der für beide Parteien gestimmt hätte. Der Verkäufer sagte ihm anschließend: »Seit Generationen handeln wir auf unsere Weise, und Sie kommen einfach so daher und versuchen, das alles umzukrempeln?« Rubinstein beschloss die Episode mit den Worten: »Ich verließ ihn mit schamrotem Gesicht.« Hätten wir doch in diesem Gewerbe nur noch zwei weitere Menschen wie Rubinstein! Die Erde wäre ein besserer Ort.
    Selbst wenn eine wirtschaftswissenschaftliche Theorie sinnvoll ist, kann ihre Umsetzung nicht vom Modell weg von oben nach unten verordnet werden; man braucht den organischen, der eigenen Dynamik folgenden Prozess aus Versuch und Irrtum, um dorthin zu gelangen. Beispielsweise zerstört das Konzept der Spezialisierung, das Wirtschaftswissenschaftler seit David Ricardo (und auch schon früher) umtreibt, ein Land, wenn es von Politikern übergestülpt wird, da es die Volkswirtschaft irrtumsanfällig macht; andererseits funktioniert es gut, wenn es auf evolutionäre Weise schrittweise erreicht wird, mit den erforderlichen Pufferzonen und Redundanzschichten. Ein weiterer Fall also, in dem die Wirtschaftswissenschaftler zwar inspirieren können, aber nie vorgeben sollten, was wir zu tun haben – Näheres dazu in der Darstellung des Ricardianischen komparativen Vorteils und der Modellfragilität im Anhang.
    Der Unterschied zwischen einem narrativen Konstrukt und der Praxis – den wichtigen Dingen, die nicht ohne Weiteres dargestellt werden können – besteht hauptsächlich in der Optionalität beziehungsweise in der verfehlten Optionalität der Dinge. Das »Richtige« ist hier typischerweise ein antifragiles Ergebnis. Mein Argument: Man besucht die Schule nicht, um Optionalität zu lernen, sondern im Gegenteil, um das Gespür dafür zu verlieren.
    Prometheus und Epimetheus
    In der griechischen Mythologie gibt es die beiden titanischen Brüder Prometheus und Epimetheus. Prometheus bedeutet »Vorausdenker«, Epimetheus dagegen ist der »Hinterherdenker«, der auf die retrospektive Verzerrung hereinfällt und sich zu Ereignissen der Vergangenheit im Nachhinein narrative Theorien zurechtzimmert. Prometheus brachte den Menschen das Feuer und steht für zivilisatorischen Fortschritt, Epimetheus dagegen repräsentiert ein rückwärtsgewandtes Denken, das Abgestandene, Schale, das Fehlen von Intelligenz. Epimetheus war derjenige, der – mit nicht

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