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Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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Risiken zu entschärfen. Eltern in Großbritannien übten Kontrolle über ihre Kinder aus, indem sie ihnen die erfundene Geschichte erzählten, dass Boney (Napoleon Bonaparte) oder irgendein wildes Tier kommen und sie mitnehmen würde, wenn sie sich nicht anständig benähmen oder ihren Teller leer essen würden. Religionen gehen oft genauso vor, um Erwachsenen zu helfen, aus Schwierigkeiten herauszukommen oder Schulden zu vermeiden. Intellektuelle andererseits glauben an den Unsinn, den sie fabrizieren, und nehmen ihre Ideen allzu wörtlich, und das ist außerordentlich gefährlich.
    Man denke nur an die Rolle des heuristischen Wissens (der Faustregeln), die auf Traditionen beruhen. So wie die Evolution sich auf jeden Einzelnen auswirkt, so beeinflusst sie auch diese unausgesprochenen, nicht erklärbaren Faustregeln, die über Generationen hinweg weitergegeben wurden – Karl Popper bezeichnete diesen Prozess als evolutionäre Erkenntnistheorie. Aber erlauben Sie mir, Poppers Gedankengang ein wenig (oder besser gesagt doch recht beträchtlich) zu modifizieren: Meiner Meinung nach konkurrieren bei dieser Evolution keine Ideen, sondern Menschen und Systeme, die auf den entsprechenden Ideen beruhen. Eine Idee überlebt nicht, weil sie selbst als Konkurrent besser wäre, sondern weil die Person, die sie vertritt, überlebt hat! Entsprechend dürften die Weisheiten, die Sie von Ihrer Großmutter lernen, den Inhalten, die Ihnen in den Kursen von Business Schools vermittelt werden, empirisch, also wissenschaftlich haushoch überlegen sein (noch dazu sind sie bedeutend billiger). Wir haben uns von den Großmüttern immer weiter wegbewegt, was mir großen Kummer bereitet.
    Expertenprobleme entstehen, wenn ein Experte zwar ein gewisses Maß an Wissen hat, aber nicht so viel, wie er meint zu haben. Diese Art von Problem führt häufig zu Fragilitäten; das genau Umgekehrte gilt für die Anerkennung des Umstands, dass man manches nicht weiß. * Expertenprobleme befördern Sie auf die falsche Seite der Asymmetrie. Was bedeutet das im Zusammenhang mit Risiken? Wenn man fragil ist, muss man sehr viel mehr wissen, als wenn man antifragil ist. Umgekehrt gilt: Wer annimmt, er wüsste mehr, als er tatsächlich weiß, ist fragil (hinsichtlich Irrtümern).
    Ich habe bereits gezeigt, dass Schulbildung nicht notwendigerweise materiellen Wohlstand zur Folge hat – Schulbildung ist ihrerseits die Folge von Wohlstand (es handelt sich also um ein Epiphänomen). In ganz ähnlicher Weise ist eine antifragile Risikobereitschaft – nicht aber Schul- und Universitätsbildung oder formale, organisierte Forschung – zum großen Teil verantwortlich für Innovation und Wachstum, während die Verfasser von Lehrbüchern die Verhältnisse genau umgekehrt darstellen. Das heißt nicht, dass Theorien und Forschungsbemühungen keine Rolle spielen. Aber wir werden eben nicht nur vom Zufall genarrt, sondern auch davon, dass wir den Einfluss gut klingender Ideen überschätzen. Ich werde im Folgenden einen Blick auf die Fabulierprodukte werfen, welche von Historikern des wirtschaftswissenschaftlichen Denkens, der Medizin, der Technik und anderer Bereiche stammen und die starke Tendenz haben, Praktiker und Macher herunterzustufen: Sie fallen auf die Grünholztäuschung herein. 49
    47 Der Halo-Effekt ist im Großen und Ganzen das Gegenteil von Kontextabhängigkeit.
    48 Ich hatte anfänglich angenommen, Wirtschaftstheorien seien nicht nötig, um kurzfristige Kursschwankungen zu verstehen, aber es stellte sich heraus, dass das auch auf die langfristigen Veränderungen zutrifft. Viele Wissenschaftler, die mit Devisen herumspielen, arbeiten mit der Vorstellung der »Kaufkraftparität«, um Wechselkurse auf der Grundlage vorherzusagen, dass auf lange Sicht »Gleichgewichts«-Preise nicht allzu stark voneinander abweichen können und dass sich die Währungskurse einander annähern müssten, sodass ein Pfund Schinken irgendwann einmal in London und Newark, New Jersey, dasselbe kosten würde. Bei genauerem Hinsehen scheint diese Theorie keinerlei praktische Gültigkeit zu haben – Währungen, die teuer werden, haben die Tendenz, noch teurer zu werden, und die meisten Fat Tonys dieser Welt machten ihr Vermögen damit, dass sie der genau umgekehrten Regel gefolgt sind. Theoretiker aber belehren einen, dass es »auf lange Sicht« doch funktionieren müsste. Welche lange Sicht denn? Es ist ausgeschlossen, auf eine solche Theorie eine Entscheidung aufzubauen, und trotzdem

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