Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

ihren Äußerungen völlig unverständlich sein – sie betreiben nicht den Aufwand, ihre Einsichten und innere Kohärenz in einen elegant stilisierten Erzählfluss zu verwandeln. Die Qualität von Unternehmern besteht im Machen, nicht im Denken, und Macher handeln, sie reden nicht, daher wäre es unfair, falsch, ja geradezu beleidigend, sie aufgrund ihrer Konversationskompetenz zu beurteilen. Dasselbe gilt für Handwerker: Die Qualität steckt in dem, was sie machen, nicht in ihren Redebeiträgen. Es spielt auch gar keine Rolle, wenn sie falsche Auffassungen haben – wenn diese Irrtümer (umgekehrte Iatrogenik) zu besseren Produkten führen, was macht das? Bürokraten andererseits werden, da ein objektiver Erfolgsmaßstab nicht existiert und die Kräfte des Marktes keine Rolle spielen, aufgrund des Halo-Effekts nach ihrer oberflächlichen Eleganz ausgewählt. Was die Nebenwirkung hat, dass sie bessere Konversationspartner sind. Ich bin mir ziemlich sicher, dass bei einem Dinner mit einem UNO -Mitarbeiter interessantere Themen zur Sprache kommen würden als bei einem Dinner mit einem der Vetter von Fat Tony oder einem Unternehmer aus der Computerbranche, der völlig besessen ist von Schaltkreisen.
    Schauen wir uns diesen Umstand noch etwas genauer an.
    Die Grünholztäuschung
    In einem der wenigen, nicht von einem Scharlatan verfassten Bücher aus der Finanzbranche mit dem deskriptiven Titel What I Learned Losing a Million Dollars macht der Protagonist eine wichtige Entdeckung. Ein Mann namens Joe Siegel, einer der erfolgreichsten Trader in einer Rohstoffklasse namens »Grünholz«, sei überzeugt gewesen, bei der Ware handle es sich um grün angestrichenes Holz (und nicht um frisch geschlagenes Holz, das als grün bezeichnet wird, weil es noch nicht getrocknet ist). Und ausgerechnet dieser Joe Siegel spezialisierte sich darauf, mit diesem Produkt zu handeln! Der Autor erging sich derweil in wohlformulierten intellektuellen Theorien und Darstellungen der Gründe für die Schwankungen der Rohstoffpreise und ging bankrott.
    Nun waren dem erfolgreichen Holzexperten zentrale Sachverhalte – etwa die Bedeutung von »grün« – zwar nicht bekannt. Dafür wusste er Dinge über Holz, die Nicht-Experten für unwichtig erachten würden. Menschen, die wir dumm nennen, sind vielleicht alles andere als dumm.
    Tatsache ist, dass der Warenfluss von Holz und die Art, wie darüber gesprochen wird, nur wenig mit den Eigenschaften zu tun haben, die man für wichtig halten würde, wenn man die Sache von außen betrachtet. Menschen, die praktisch tätig sind, müssen kein Examen ablegen; sie werden auf die denkbar unnarrativste Art und Weise ausgewählt – wohlformulierte Argumente spielen kaum eine Rolle. Die Evolution stützt sich im Gegensatz zu Menschen nicht auf die Art, wie über Dinge gesprochen wird. Die Evolution braucht kein Wort für die Farbe Blau.
    Ich werde also eine Situation als Grünholztäuschung bezeichnen, in der man die Quelle eines notwendigen Wissens – die Grünheit von Holz – fälschlich für etwas anderes hält, etwas, das von außen weniger sichtbar, weniger handhabbar, weniger gut in Worte zu fassen ist.
    Mit meinem Eintritt ins Berufsleben brach meine intellektuelle Welt zusammen. Ich hatte den Eindruck, alles, was ich studiert hatte, sei nicht nur nutzlos, sondern ausgefuchste Augenwischerei. Die Ereignisse entwickelten sich wie folgt: Als ich mich beruflich auf Derivate beziehungsweise »Volatilitäten« (genauer auf Nichtlinearitäten) spezialisierte, konzentrierte ich mich auf Devisenkurse, ein Bereich, in dem ich mehrere Jahre tätig war. Ich musste mich mit Devisenhändlern zusammentun, mit Menschen, denen die theoretischen Instrumente nicht zur Verfügung standen, die ich mir während meines Studiums angeeignet hatte; ihr Job bestand schlicht und einfach im Kauf und Verkauf von Währungen. Geldwechsel ist eine sehr alte Zunft mit langer Tradition; man erinnere sich an die Geschichte von Jesus Christus und den Geldwechslern. Ich kam frisch von einer piekfeinen Ivy-League-Universität und war schockiert. Man sollte annehmen, dass Leute, die sich auf den Devisenhandel spezialisiert haben, etwas von Wirtschaft verstehen, von Geopolitik und Mathematik, von den Unterschieden zwischen den Preisen in einzelnen Ländern. Oder dass sie eifrig die Wirtschaftsberichte studieren, die von diversen Instituten in Hochglanzzeitschriften veröffentlicht werden. Man hat vielleicht auch weltgewandte Typen vor