Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)
wiedergutzumachenden Konsequenzen – Pandoras Gabe entgegennahm.
Optionalität ist prometheisch, narrative Interpretationen sind epimetheisch – Ersteres hat harmlose, reparable Fehler zur Folge; Letzteres symbolisiert die massiven unumkehrbaren Konsequenzen, die das Öffnen der Büchse der Pandora mit sich brachte.
Ausgriffe auf die Zukunft geschehen aufgrund von Opportunismus und Optionalität. Bis jetzt haben wir in Buch IV die Macht der Optionalität als alternative Methode kennengelernt, auf opportunistische Weise, Dinge anzupacken, die sich durch ihre Asymmetrie aus großen Vorteilen und harmlosen Nachteilen auszeichnen. Optionalität ist eine Möglichkeit – faktisch die einzige Möglichkeit –, Ungewissheit zu domestizieren und rational vorzugehen, ohne die Zukunft zu verstehen – das genaue Gegenteil ist das Vertrauen auf narrative Erklärungsmuster. Man wird von der Ungewissheit domestiziert und ironischerweise, anstatt weiterzukommen, zurückgeworfen. Man kann der Zukunft nicht mit der naiven Projektion der Vergangenheit begegnen.
Damit komme ich zum Unterschied zwischen Tun und Denken. Vom Standpunkt der Intellektuellen aus ist die Sache schwer zu verstehen. Yogi Berra sagte einmal: »In der Theorie gibt es keinen Unterschied zwischen Theorie und Praxis; in der Praxis dagegen durchaus.« Ich habe mehrere Argumente zu dem Umstand angeführt, dass der Intellekt eng mit Fragilität zusammenhängt und Vorgehensweisen begünstigt, die dem Verfahren des Tüftelns im Weg stehen. Ich habe gezeigt, dass eine Option als Ausdruck von Antifragilität verstanden werden kann. Wissen habe ich in zwei Kategorien aufgeteilt: das formale Wissen und die Fat-Tony-Art von Wissen, die sicher in der Antifragilität von Versuch und Irrtum verankert ist und in einer Risikobereitschaft mit geringen potentiellen Verlusten im Hantelstil: eine ent-intellektualisierte (oder besser gesagt auf ihre eigene Art intellektuelle) Form der Risikobereitschaft. In einer undurchschaubaren Welt ist das die einzig mögliche Vorgehensweise.
Tabelle 4 fasst die einzelnen Aspekte des Gegensatzes zwischen Narration und Tüfteln, dem Thema der nächsten drei Kapitel, zusammen.
Tabelle 4 – Der Unterschied zwischen dem Teleologischen und Optionalität
Narratives Wissen
Antifragil: Optionalitätsgesteuertes Tüfteln, Versuch und Irrtum
Hasst Ungewissheit (fragil gegenüber Veränderungen oder falsches Verständnis der Vergangenheit im Truthahn-Stil)
Domestiziert Ungewissheit (antifragil gegenüber dem Unbekannten)
Schaut nur auf die Vergangenheit, Überanpassung an die Vergangenheit
Schaut in die Zukunft
Epimetheus
Prometheus
Teleologische Handlungsweise
Opportunistische Handlungsweise
Narratives Wissen
Antifragil: Optionalitätsgesteuertes Tüfteln, Versuch und Irrtum
Tourist
Flaneur
Fragile, naive Rationalität
Robuste Rationalität
Psychologisch bequem
Psychologisch unbequem, dafür das prickelnde Gefühl von Freiheit und Abenteuer
Konkav (sichtbare bekannte Gewinne, unbekannte Irrtümer)
Konvex (kleine bekannte Irrtümer, größtmögliche Gewinne)
Opfer des Truthahn-Problems (Verwechslung des Beweises einer Nicht-Existenz mit Nicht-Existenz)
Kann von Dummkopf- und Truthahn-Problemen profitieren
Opfer von Epiphänomenen, Opfer der Grünholztäuschung
Entkommt der Grünholztäuschung
Einziger Mechanismus im akademischen Bereich außerhalb von Laboren und der Physik
Wichtigster Mechanismus in der Praxis
Erzählmuster sind erkenntnistheoretisch
Erzählmuster sind Instrumente
In einer Geschichte gefangen
Keine entscheidende Abhängigkeit von einer Geschichte – das Narrativ kann, muss aber nicht als Motivation herhalten
Enger Bereich, abgeschlossener Handlungsspielraum
Breiter Bereich, offener Handlungsspielraum
Muss die Logik der Dinge verstehen
Wenig Verstehen vonnöten, lediglich Rationalität beim Vergleichen zweier Ergebnisse (Gebrauch der besseren Option)
Profitiert nicht vom Stein der Weisen (auch bekannt als Konvexitätsverzerrung, siehe Kapitel 19)
Baut auf den Stein der Weisen
Das heißt nicht, dass Tüfteln und Versuch und Irrtum frei sind von narrativen Elementen: Sie sind nur einfach nicht abhängig davon – das Narrative hat keine erkenntnistheoretische Funktion, sondern stellt lediglich ein mögliches Instrument dar. Beispielsweise haben religiöse Geschichten vielleicht keinen Wert als Berichte, trotzdem können sie einen dazu motivieren, etwas Konvexes, Antifragiles zu tun, das man andernfalls unterlassen würde, wie etwa
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