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Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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biegt sich nach innen, die Neigung wird immer steiler).
    Eine graphische Darstellung des Beispiels sehen Sie in Abbildung 9. Das Prinzip lässt sich verallgemeinern. Ihr Auto ist fragil. Wenn Sie es mit 80 Stundenkilometern gegen eine Mauer fahren, richten Sie größeren Schaden an, als wenn Sie es zehnmal mit 8 Stundenkilometern gegen dieselbe Mauer fahren. Der Schaden bei 80 Stundenkilometern ist mehr als zehnmal so groß wie der Schaden bei 8 Stundenkilometern.
    Weitere Beispiele. Sieben Flaschen Wein (Bordeaux) auf einmal zu sich zu nehmen und dann sechs Tage reines Wasser mit einem Zitronenschnitz zu trinken ist schädlicher, als über sieben Tage verteilt eine Flasche Wein pro Tag (verteilt auf zwei Gläser pro Mahlzeit) zu trinken. Jedes weitere Glas Wein schadet Ihnen mehr als das vorhergehende, Ihr Körper reagiert auf Alkoholkonsum also fragil. Lässt man eine Porzellantasse aus einer Höhe von dreißig Zentimetern auf den Boden fallen, erzeugt das einen größeren Schaden als zwölfmal der Schaden, der entsteht, wenn man sie aus einer Höhe von zweieinhalb Zentimetern fallen lässt.
    Springt man aus einer Höhe von zehn Metern auf festen Boden, fügt man sich mehr als zehnmal so viel Schaden zu, wie wenn man aus einer Höhe von einem Meter springt – zehn Meter ist offenbar der Grenzwert, ab dem ein freier Fall tödlich endet.
    Das alles ist lediglich eine schlichte Erweiterung der grundlegenden Asymmetrie, die ich zwei Kapitel zuvor beschrieben habe, als ich die Gedanken Senecas als Vorwand benutzte, um über Nichtlinearität zu sprechen. Asymmetrie ist notwendigerweise Nichtlinearität. Mehr Schaden als Nutzen: Eine Erhöhung der Intensität verursacht mehr Schaden, als ein entsprechender Rückgang Nutzen bringt.
    Warum ist Fragilität nichtlinear?
    Und nun zum zentralen Punkt, dem Grund, warum Fragilität generell in den Bereich des Nichtlinearen und nicht in den des Linearen gehört. Das war die Eingebung, die ich beim Betrachten der Porzellantasse hatte. Die Antwort hängt mit der Struktur von Überlebenswahrscheinlichkeiten zusammen: Gesetzt den Fall, etwas ist unverletzt (oder hat überlebt), dann ist es eher durch einen einzigen Felsbrocken verletzbar als durch tausend Kieselsteinchen, also eher durch ein einziges seltenes Ereignis als durch den kumulativen Effekt kleinerer Schocks.
    Wenn sich auf einen Menschen der Sprung von einem Millimeter Höhe (Einwirkung einer minimalen Kraft) in einem exakt linearen Bruchteil des Schadens von beispielsweise einem Sprung aus zehn Metern Höhe auswirken würde, dann wäre der Betreffende aufgrund der Kumulation der Schädigungen bereits tot. Schon eine einfache Berechnung zeigt, dass er innerhalb weniger Stunden, nur durch das Berühren von Gegenständen oder das Durchschreiten seines Wohnzimmers, die damit verbundene Vielzahl von Stressoren und die Summe ihrer Auswirkungen das Zeitliche gesegnet hätte. Die Fragilität, die aus Linearität resultiert, ist unmittelbar sichtbar, wir schließen sie von vornherein aus, da ein Objekt in diesem Fall bereits zerbrochen wäre. Woraus zu schließen ist: Fragil ist etwas, das einerseits nicht zerbrochen, andererseits nichtlinearen Effekten unterworfen ist – und extremen, seltenen Ereignissen, denn die Auswirkungen von großer Dimension (oder hoher Geschwindigkeit) sind seltener als diejenigen kleiner Dimensionen (und niedriger Geschwindigkeit).
    Im Zusammenhang mit Schwarzen Schwänen und Extremereignissen kann man Folgendes formulieren: Gewöhnliche Ereignisse treten sehr viel häufiger auf als extreme Ereignisse. Auf dem Finanzmarkt gibt es mindestens zehntausendmal mehr Ereignisse mit einer Größe von 0,1 Prozent als Ereignisse mit einer Größe von 10 Prozent. Täglich finden rund um den Globus etwa achttausend Mikro-Erdbeben statt, also Erdbeben, die unterhalb der Stärke 2 auf der Richterskala bleiben – ungefähr drei Millionen pro Jahr. Sie sind vollkommen harmlos, und angesichts dieser drei Millionen, die sich pro Jahr ereignen, ist das auch gut so. Erschütterungen von einer Intensität ab Stärke 6 dagegen schaffen es in die Schlagzeilen. Man nehme nur das Beispiel der Porzellantassen. Sie bekommen sehr viel öfter Stöße von einer Stärke von, sagen wir, einem Hundertstel Pfund pro Quadratzentimeter (als Durchschnittsmaß) ab als Stöße von hundert Pfund pro Quadratzentimeter. Wir sind also notwendigerweise immun gegen den kumulativen Effekt kleiner Abweichungen oder Schocks kleinen Ausmaßes, was

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