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Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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Wirtschaft verfolgen: Zentralbanken können Geld drucken; ohne irgendetwas zu bewirken, drucken sie unverdrossen immer weiter (und berufen sich zu allem Überfluss noch auf die »Sicherheit« einer solchen Maßnahme), und dann, »völlig unerwarteterweise«, hat das Gelddrucken eine sprunghafte Erhöhung der Inflationsrate zur Folge. Viele Ergebnisse auf dem Wirtschaftssektor werden durch Konvexitätseffekte vollständig zunichte gemacht – die gute Nachricht ist, dass wir wissen, warum es sich so verhält. Leider basieren die Strategien (und die Kultur) der Politiker ganz überwiegend auf Linearität und der Verkennung dieser verborgenen Effekte. Man bezeichnet sie gemeinhin als »Annäherung« (approximation) . Wenn der Begriff »Sekundäreffekt« fällt, dann bedeutet das, dass es aufgrund von Konvexität mit Annäherung nicht gelingt, darzustellen, was wirklich geschehen ist.
    In Abbildung 14 habe ich ein (sehr hypothetisches) Diagramm über die Reaktion des Verkehrs auf die Anzahl der Fahrzeuge erstellt. Man beachte den Verlauf der Kurve. Sie krümmt sich nach innen.

    Abbildung 14. Die Kurve zeigt, inwieweit die Fahrtzeit (und Fahrtkosten) des Autors zum JFK-Flughafen jenseits eines bestimmten Punkts nichtlinear von der Anzahl der Autos auf der Straße abhängt. Die Fahrtkosten bilden eine nach innen gekrümmte Kurve – konkav, sprich: nicht gut.
    Irgendjemand sollte den Verantwortlichen in New York Bescheid geben
    Wie Konvexitätseffekte ein überoptimiertes System beeinflussen und wie sich die Fehleinschätzung großer Abweichungen auswirkt, wird durch die folgende kleine Episode sehr schön illustriert: Sie führt vor Augen, was geschah, als die Verantwortlichen für das Verkehrswesen in New York die Auswirkungen einer Streckensperrung auf die Verkehrsbelastung einmal voll und ganz unterschätzten. Der Irrtum ist weit verbreitet: Eine kleine Veränderung erzeugt in einem System, das extrem beansprucht, also fragil ist, eine unvorhergesehene Wirkungskette.
    Eines Samstagabends im November 2011 fuhr ich nach New York City, um mich mit dem Philosophen Paul Boghossian zum Dinner im Village zu treffen – normalerweise brauche ich für diese Strecke vierzig Minuten. Ironischerweise traf ich mich mit ihm, um über mein Buch – dieses Buch – zu sprechen, und noch ironischer: über meine Vorstellung von Redundanz in Systemen. Ich habe mich dafür ausgesprochen, in das Leben der Menschen mehr Redundanz einzuführen, und hatte mich vor ihm und anderen damit gebrüstet, dass ich seit meinem am Neujahrstag des Jahres 2007 gefassten Entschluss nie zu irgendeinem Termin zu spät gekommen bin, nicht einmal um eine Minute (naja, sagen wir fast nie). Erinnern Sie sich an mein Plädoyer für die Einführung von Redundanzen als offensive Strategie. Eine solche persönliche Disziplin zwingt mich, Pufferzonen einzubauen, und da ich immer ein Notizbuch dabeihabe, war es mir möglich, einen ganzen Band Aphorismen zu verfassen. Ganz zu schweigen von langen Aufenthalten in Buchläden. Oder ich kann mich in ein Café setzen und Hassmails lesen. Natürlich alles ohne Stress, da ich nicht befürchten muss, zu spät zu kommen. Der größte Nutzen einer solchen Disziplin besteht darin, dass sie es mir nicht erlaubt, meinen Tag mit Terminen vollzustopfen (normalerweise sind Termine weder nützlich noch erfreulich). Tatsächlich mache ich aufgrund einer weiteren selbstdisziplinierenden Regel überhaupt keine Termine (abgesehen von Vorträgen), und wenn, dann frühestens am Morgen desselben Tages, denn ein im Kalender festgehaltener Termin vermittelt mir das Gefühl, ein Gefangener zu sein, aber das ist eine andere Geschichte.
    Als ich gegen sechs Uhr Midtown erreichte, kam der Verkehr zum Erliegen. Nichts ging mehr. Bis acht hatte ich mich gerade einmal ein paar wenige Häuserblocks weiterbewegt. Da half auch mein »Redundanz-Puffer« nichts mehr; mein bis dato eingelöster Vorsatz war nicht mehr zu halten. Nachdem ich mir dann wieder einmal beigebracht hatte, wie man dieses lärmende, kakophonische Gerät namens Radio in Betrieb nimmt, erfuhr ich, was geschehen war: Die Verwaltung von New York City hatte – in der Annahme, das dürfte an einem Samstag keine Probleme bereiten – einer Filmgesellschaft die Genehmigung erteilt, auf der Brücke an der 59. Straße zu drehen. Das kleine Verkehrsproblem aber verwandelte sich aufgrund der Vervielfältigungseffekte in ein Chaos. Die Zeit, von der man angenommen hatte, es würde sich

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