Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)
die Geschichte – sie werden Fragilität früher oder später aufdecken. Bildung ist eine Institution, die ohne externe Stressoren gewachsen ist; irgendwann wird das Ganze zusammenbrechen.
Die nächsten beiden Bücher, V und VI , befassen sich mit der Vorstellung, dass fragile Dinge zusammenbrechen – wie vorherzusehen ist. Buch V zeigt (in eher fachwissenschaftlicher Manier), wie Fragilität aufgespürt werden kann, und stellt die Mechanik hinter dem Stein der Weisen vor. Buch VI geht von der Idee aus, dass Zeit eher auslöscht als aufbaut und dass sie gerade das Zerbrechen des Fragilen sehr gut beherrscht – seien es Gebäude oder Ideen. 59
56 Xenophon, der zweite Biograph von Sokrates, zeichnet ein anderes Bild. Der Sokrates der Memorabilia hat einen klaren Kopf und steht mit beiden Beinen auf dem Boden der Realität; er verachtet steriles Wissen sowie die Experten, die irgendetwas ohne praktische Konsequenzen studieren, während gleichzeitig so viel Nützliches und Wichtiges vernachlässigt wird (anstatt in den Sternen nach Kausalzusammenhängen zu suchen, sollte man sich besser überlegen, wie man sie beim Navigieren einsetzen kann; Geometrie ist da angebracht, wo es um Landvermessung geht, nirgends sonst).
57 Adam Smith war letzten Endes Moralphilosoph. Marx war Philosoph. Kahnemann und Simon kommen aus der Psychologie respektive aus der Kognitionswissenschaft. Eine Ausnahme bildet natürlich Hayek.
58 Der Philosoph Rupert Read überzeugte mich davon, dass Hayek letztlich – ähnlich wie Popper – einer Art naivem Rationalismus anhing, und er belegte schlüssig, dass die beiden nicht zur Gruppe der antifragilen Denker gezählt werden können.
59 Der Leser fragt sich vielleicht, welcher Zusammenhang zwischen Erziehung und Unordnung besteht. Erziehung ist teleologisch und hasst Unordnung. Tendenziell legt sie die Grundlage für die Entstehung von späteren Fragilisten.
Buch V
Das Nichtlineare und das Nichtlineare 60
Zeit für eine weitere autobiographische Vignette. Charles Darwin machte in einem Abschnitt über die Entstehungsgeschichte seines Werks Vom Ursprung der Arten einige kurze Bemerkungen dazu, wie sich sein Standpunkt entwickelt hat: »Ich hoffe, man sieht mir die Erwähnung dieser persönlichen Details nach, die ich anführe, um zu belegen, dass ich meine Einschätzung nicht überstürzt getroffen habe.« Es ist nämlich nicht ganz korrekt, dass es kein treffendes Wort, keinen Begriff und keine Anwendung von Antifragilität gibt. Meine Kollegen und ich verfügten darüber, allerdings ohne es zu wissen. Und mich begleitete dieses Wort schon seit langer, sehr langer Zeit. Ich habe über genau dieses Problem eigentlich fast mein ganzes Leben nachgedacht – halb bewusst, halb ohne mir darüber im Klaren zu sein. Buch V stellt meine Reise dar und die Idee, die sich während dieser Reise herauskristallisierte.
Über die Vorteile einer Dachwohnung
Mitte der 1990er Jahre versenkte ich stillvergnügt meine Krawatte in der Mülltonne Ecke 45. Straße/Park Avenue in New York. Ich beschloss, mir einige Jahre Auszeit zu gönnen, und zog mich in eine Dachwohnung zurück. Dort versuchte ich, das zum Ausdruck zu bringen und zu formulieren, was mich umtrieb: das, was ich »verborgene Nichtlinearitäten« nannte, und deren Auswirkungen.
Ich hatte streng genommen keine Idee, sondern lediglich eine Methode – die tiefer liegende zentrale Idee entzog sich mir. Indem ich nach dieser Methode vorging, produzierte ich eine fast sechshundert Seiten lange Darstellung über den Umgang mit nichtlinearen Effekten, inklusive Kurven und Tabellen. »Nichtlinearität« bedeutet, dass die Reaktion keine gerade Linie ist. Ich ging noch einen Schritt weiter und untersuchte den Zusammenhang mit Volatilität – ich werde noch näher darauf eingehen. Und ich beschäftigte mich mit der Volatilität der Volatilität und ähnlichen Effekten höherer Ordnung.
Das Buch, das in einsamer Forschungsarbeit über den Dächern von New York entstand, erhielt dann schließlich den Titel Dynamic Hedging, und es handelte von den »Techniken, mit komplizierten, nichtlinearen, derivativen Belastungen« umzugehen.Es war ein Fachbuch, das die Frage von Grund auf, ab ovo, behandelte, und während ich daran arbeitete, hatte ich ständig das sichere Gefühl, dass die Sache eine viel größere Tragweite hatte und nicht nur auf die Fälle beschränkt war, mit denen ich es in meinem Beruf zu tun hatte; ich wusste, dass mein Beruf der perfekte
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