Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)
impliziert, dass diese uns unverhältnismäßig weniger (das heißt nichtlinear weniger) schaden als größere Abweichungen.
Ich formuliere die obige Regel noch einmal pointierter:
Für das Fragile ist der kumulative Effekt kleiner Schocks kleiner als der Einzeleffekt eines gleichwertigen einzelnen großen Schocks.
Daraus folgt: Fragil ist das, was sehr viel stärker durch Extremereignisse verletzbar ist als durch eine Abfolge von durchschnittlichen Vorkommnissen. Finito – es gibt keine andere Art , fragil zu sein.
Was bedeutet das für das Gegenstück des Fragilen, das Antifragile? Auch Antifragilität beruht auf Nichtlinearitäten, auf nichtlinearen Reaktionen.
Für das Antifragile sind Schocks umso nützlicher (also umso weniger schädlich), je mehr sie (bis zu einer gewissen Grenze) an Intensität zunehmen.
Ein einfacher Fall und eine Heuristik, die unter Gewichthebern allgemein bekannt ist. In meiner im zweiten Kapitel geschilderten Bodyguard-Nacheiferungsphase habe ich mich lediglich auf das von mir erreichbare Maximum konzentriert. Einmal hundert Pfund zu heben bringt mehr, als zweimal fünfzig Pfund zu heben, und mit Sicherheit sehr viel mehr, als wenn man hundertmal ein Pfund hebt. Nach den Kriterien von Gewichthebern besteht der Nutzen darin, dass der Körper gestärkt, die Muskelmasse vermehrt und die Kneipenschläger-Aura erhöht wird, es geht also weniger um Widerstandsfähigkeit und die Ausdauer, einen Marathon zu laufen. Die zweiten fünfzig Pfund spielen eine größere Rolle, es handelt sich folglich um einen nichtlinearen (das heißt, wie wir sehen werden, Konvexitäts-) Effekt. Jedes zusätzliche Pfund bringt mehr Nutzen, und zwar so lange, bis man in der Nähe des Limits ist, das Gewichtheber als »Failure« (Versagen) bezeichnen. 62
Halten wir für den Moment nur fest, dass diese schlichte Kurve eine enorme Reichweite hat: Sie ist praktisch überall anwendbar, wo Ungewissheit auch nur die geringste Rolle spielt, selbst bei ärztlichen Behandlungsfehlern, bei der Größe von Regierungen und bei Innovationsbemühungen. Und sie dient zur theoretischen Unterfütterung dessen, was ich in Buch II zu Größe und Konzentration ausgeführt habe.
Ein lächelndes und ein trauriges Gesicht
Nichtlinearität tritt in zwei Variationen auf: als konkave Kurve (nach innen gekrümmt), wie im Fall des Königs und des Felsbrockens, oder als ihr Gegenteil, die konvexe Kurve (nach außen gekrümmt). Und natürlich gibt es Mischformen mit sowohl konkaven als auch konvexen Abschnitten.
Die Abbildungen 10 und 11 geben eine vereinfachte Darstellung von Nichtlinearität wieder: Das Konvexe und das Konkave ähneln einem lächelnden und einem traurig nach unten gezogenen Mund.
Abbildung 10. Die beiden Typen von Nichtlinearität, das Konvexe (links) und das Konkave (rechts). Das Konvexe biegt sich nach außen, das Konkave nach innen.
Abbildung 11. Smile! Eine einfache Eselsbrücke zur Unterscheidung von konvex und konkav. Was sich nach außen biegt, sieht aus wie ein Lächeln – was nach innen gekrümmt ist, ähnelt einem traurigen Gesicht. Das Konvexe (links) ist antifragil, das Konkave (rechts) ist fragil (hat negative Konvexitätseffekte).
Der Einfachheit halber benutze ich den Begriff »Konvexitätseffekt« für beide Bereiche, spreche also von »positiven Konvexitätseffekten« und »negativen Konvexitätseffekten«.
Warum prägt sich Asymmetrie als Konvexität oder Konkavität aus? Ganz einfach: Gibt es für eine bestimmte Variation mehr Vorteile als Nachteile, und setzt man das in eine Kurve um, dann wird die Kurve konvex ausfallen; im gegenteiligen Fall konkav. Abbildung 12 zeigt die Asymmetrie umgesetzt in Nichtlinearitäts-Begriffe. Außerdem zeigt sie die Magie des Mathematischen, die es uns erlaubt, Steak Tartar, Unternehmertum und finanzielles Risiko in einem Atemzug zu nennen: Die konvexe Kurve wird konkav, indem man einfach nur ein Minuszeichen davor setzt. So hatte Fat Tony etwa bei einer bestimmten Transaktion genau das umgekehrte Ergebnis wie eine Bank oder eine Finanzinstitution: Er verdiente einen Dollar, wenn die anderen einen verloren, und umgekehrt. Die Gewinne und Verluste sind letztlich Spiegelbilder voneinander, nur dass das eine eben das andere mit einem Minuszeichen davor ist.
Abbildung 12 zeigt außerdem, warum das Konvexe von Volatilität profitiert . Wenn Sie bei Fluktuationen mehr verdienen als verlieren, dann werden Ihnen viele Fluktuationen gelegen kommen.
Abbildung 12.
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