Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)
ist es, die zu Innovationen führt!
Diese Erkenntnis der Alten greift sehr viel tiefer, als es auf den ersten Blick scheint. Sie steht vielfach in direktem Widerspruch zu heutigen Methoden und Vorstellungen im Zusammenhang mit Innovation und Fortschritt, neigen wir doch zu der Annahme, Innovation resultiere aus bürokratischen Finanzierungsmaßnahmen, aus Planungsinitiativen oder daraus, dass man die Leute in die Seminare einer Harvard Business School schickt, die von einem hochdekorierten Professor für Innovation und Unternehmertum abgehalten werden (der in seinem ganzen Leben noch keine Innovation zustande gebracht hat); oder daraus, dass man einen Berater anheuert (für den dasselbe gilt). Es handelt sich dabei um eine optische Täuschung. Man halte sich nur einmal vor Augen (später komme ich ausführlicher darauf zu sprechen), in welchem unverhältnismäßig großen Ausmaß Techniker und Unternehmer ohne akademische Ausbildung technologische Entwicklungsschübe anstießen, angefangen bei der Industriellen Revolution bis hin zur Entwicklung von Silicon Valley.
Doch obwohl es genügend Beweise für das Gegenteil gibt, und trotz der Weisheiten, die man kostenlos bei der Lektüre klassischer Schriftsteller (oder wenn Sie Großmüttern zuhören) geliefert bekommt, versuchen die Menschen heute, aus einer Situation von Behaglichkeit, Sicherheit und Vorhersehbarkeit heraus, neue Dinge zu erfinden, anstatt sich endlich der Erkenntnis zu stellen, dass »Not die eigentliche Mutter der Erfindung« ist.
Viele Menschen vor uns, darunter auch der große römische Staatsmann Cato Censorius, waren der Auffassung, ein abgesichertes Leben voller Annehmlichkeiten führe direkt ins Verderben. 7 Er mochte es gar nicht, wenn es ihm zu gut ging, da er befürchtete, damit seine Willenskraft zu schwächen. Und diese Verweichlichung beschränkt sich nicht auf den persönlichen Bereich: Eine ganze Gesellschaft kann krank werden. Während ich diese Zeilen schreibe, erleben wir eine globale Schuldenkrise. Die Welt insgesamt war nie reicher, und sie war nie stärker verschuldet, nie abhängiger von geliehenem Geld. Aus Erhebungen zum Zustand der Gesellschaft geht hervor: Je reicher wir werden, desto schwerer fällt es uns, unseren Verhältnissen entsprechend zu leben. Mit Knappheit kommen wir besser zurecht als mit Überfluss.
Ein erst vor kurzem beobachtetes Phänomen in der Luftfahrt, dass nämlich die Automatisierung von Flugsystemen die Piloten unterfordert und das Fliegen eines Flugzeugs für sie zu bequem – gefährlich bequem – macht, hätte Cato nur ein müdes Lächeln entlockt. Aufmerksamkeit und Kompetenz der Piloten werden vernebelt, da sie nicht genügend herausgefordert werden, was tatsächlich zu Todesfällen infolge von Flugzeugabstürzen geführt hat. Teil des Problems ist eine Vorschrift der Federal Aviation Administration ( FAA ), mit der die Industrie gezwungen wurde, die Automatisierung der Flugvorgänge auszudehnen. Dankenswerterweise deckte aber dieselbe FAA auch das damit zusammenhängende Problem auf; erst kürzlich wurde festgestellt, dass Piloten häufig »zu viel Verantwortlichkeit an die Automatik abgeben«.
Wie man ein Pferderennen gewinnt
Es heißt, die besten Pferde verlieren, wenn sie gegen langsamere Pferde ins Rennen geschickt werden; wenn sie aber gegen echte Rivalen antreten, gewinnen sie. Unterkompensation aufgrund fehlender Stressoren, umgekehrte Hormesis, Abwesenheit einer Herausforderung lässt die Besten der Besten schlechter werden. In Baudelaires Gedicht hindern die riesigen Flügel des Albatros ihn am Gehen – manchmal empfiehlt es sich, statt des Anfängerkurses eher den für Fortgeschrittene zu besuchen.
Auf diesen Mechanismus der Überkompensation stößt man in den merkwürdigsten Zusammenhängen. Wenn man sich nach einem Interkontinentalflug schlapp fühlt, sollte man, anstatt sich auszuruhen, lieber in ein Fitnesscenter gehen. Außerdem gibt es den bekannten Trick, eine Sache, die Sie schnell erledigt haben müssen, der beschäftigtsten (oder zweitbeschäftigtsten) Person im Büro zu übergeben. Den meisten Leuten gelingt es, ihre Freizeit zu vergeuden, da sie dann dysfunktional werden, faul und unmotiviert – je beschäftigter sie andererseits sind, desto aktiver sind sie bei anderen Aufgaben. Auch das ein Phänomen der Überkompensation.
Ich habe einen Trick entdeckt, wie ich meine Vortragstechnik verbessern kann. Von Organisatoren großer Konferenzen wurde mir empfohlen, klar
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