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Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition)

Titel: Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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Folge, das tückische Extremistan.
    26 Man beachte, dass mit dem Terminus »Balkanisierung« ein bestimmter Eindruck hervorgerufen wird: der Eindruck des Durcheinanders, das mehrere fragmentierte Staaten erzeugen, als ob Fragmentierung etwas Schlechtes wäre und als ob es im Balkan eine Alternative gäbe –, aber keiner spricht von »Helvetisierung«, um die Erfolge eines solchen Systems zu beschreiben.
    27 Eine gründliche Analyse der Daten – mit angemessener Berücksichtigung des Unbemerkten – zeigt, dass ein Krieg, der den Planeten auslöschen würde, voll und ganz in Übereinstimmung mit der Statistik stünde – er wäre nicht einmal ein Sonderfall. Wie wir sehen werden, ließ sich Ben Bernanke bei seiner These von der Great Moderation (der großen Mäßigung) genauso täuschen. Es handelt sich hier um ein typisches Truthahn-Problem; bei jedem Prozess, bei dem Volatilität unterdrückt wird, sind die Eigenschaften irreführend. Steven Pinker und andere interpretierten die Beschaffenheit des statistischen Prozesses falsch und hielten eine zur »großen Mäßigung« im Finanzwesen analoge These aufrecht.

Kapitel 6
    Zufälligkeit ist SO super!
    Maxwell in Extremistan – Die komplizierte Art, einen Esel zu füttern – Vergil hat gesagt, tu es, und zwar gleich
    Das vorherige Kapitel sollte zeigen, wie stark sich die Risikoeigenschaften des ersten Bruders (des fragilen Bankangestellten) von denen des zweiten (dem vergleichsweise antifragilen, selbstständigen Taxifahrer) unterscheiden. Ebenso deutlich unterscheidet sich die Risikocharakteristik eines zentralisierten politischen Systems von der einer eher nachlässig geführten Städte-Konföderation. Der zweite Typ ist aufgrund eines gewissen Maßes an Volatilitätauf Dauer stabil.
    James Clerk Maxwell, der berühmte Theoretiker des Elektromagnetismus, hat systematisch belegt, wie zu engmaschige Kontrollen das Gegenteil des angestrebten Ziels bewirken und Schäden verursachen können. »Governors« (Regulatoren) sind Vorrichtungen, mit denen die Geschwindigkeit von Dampfmaschinen kontrolliert wird, indem abrupte Variationen ausgeglichen werden. Sie hatten die Funktion, die Maschinen zu stabilisieren, und das taten sie auch, allerdings verursachten sie paradoxerweise hin und wieder unberechenbares Verhalten und Zusammenbrüche. Ein geringes Maß an Kontrolle funktioniert; penibles Kontrollieren dagegen hat Überreaktionen zur Folge, wobei manchmal die ganze Maschinerie zu Bruch geht. In einem berühmten, 1867 veröffentlichten Aufsatz On Governors stellte Maxwell diese Mechanismen dar und belegte mathematisch, dass die enge Kontrolle der Geschwindigkeit einer Lokomotive zu Instabilität führt.
    Es ist bemerkenswert, auf wie viele Bereiche Maxwells sauberen mathematischen Ableitungen und die Gefahren strenger Kontrolle generalisiert werden können und wie hilfreich sie sind, wenn es darum geht, Pseudo-Stabilisierungen und verborgene Langzeit-Fragilitäten aufzudecken. 28
    Auf den Märkten führt die Festlegung von Preisen oder analog die Ausschaltung von Spekulanten, den so genannten Rauschhändlern mitsamt der moderaten Volatilität, die sie mit sich bringen, zu einer Illusion von Stabilität: Lange Perioden, in denen nichts geschieht, werden unterbrochen von heftigen Ausschlägen. Da die Akteure an Volatilität nicht gewöhnt sind, führen sie schon die geringste Preisvariation auf Insider-Informationen zurück oder auf Veränderungen im Zustand des Gesamtsystems, was eine allgemeine Panik zur Folge hat. Wenn eine Währung sich nie verändert, glauben die Leute schon bei der leisesten Bewegung, dass die Welt untergeht. Dabei führt es zur Stabilisierung des Systems, wenn man ihm ein gewisses Maß an Unordnung hinzufügt.
    Tatsächlich ist es nützlich, wenn man die Menschen ab und an ein wenig durcheinanderbringt – es ist gut für einen selbst und gut für die anderen. Stellen Sie sich den Alltag mit einem extrem pünktlichen und zuverlässigen Menschen vor, der seit fünfzehn Jahren täglich um Punkt sechs nach Hause kommt. Man kann die Uhr nach ihm stellen. Seine Familie wird sich, wenn er auch nur wenige Minuten später kommt, garantiert Sorgen machen. Ganz anders bei einer Person mit einem volatileren, das heißt weniger berechenbaren Zeitplan, die mit einem Spielraum von plus minus einer Viertelstunde nach Hause kommt.
    Variationen haben auch die Funktion von Säuberungsaktionen. Kleinere Waldbrände befreien das System periodisch von einem Großteil

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