Antiheld (German Edition)
hat getrommelt, und da hat der mich halt von klein auf mitgenommen. War auch immer geil. Trommeln, saufen, ‚ne korrekte Zeit!»
« Korrekte Zeit!» , lachte Leif und machte eine abfällige Geste. «Junge! Trommeln vor irgendwelchen Deppen, und dazu noch ‚ne beschissene Uniform tragen ? Is das dein Ernst?»
«Ja, Trommeln!»
«Das klingt so dermaßen beschissen!»
«War es aber nicht, Mann. Irgendwann bin ich halt nicht mehr hingegangen. Und bei dir?»
«Bei mir?», wiederholte Finn. «Da gibt es nichts zu erzählen»
«Naja, drauf geschissen, jetzt ballern wir uns erst mal einen rein!»
Finn nahm den säuberlich gedrehten Joint von Leif entgegen und ließ sich den Rausch erwartend in die Untiefen der Couch hinabgleiten. Was wusste er nicht alles über Drogen und ihre Wirkungen? In jeder Vorabendsendung wird gesoffen und gekokst, werden Pülverchen getauscht und bunte Pillen eingeschmissen. Der Rausch – eine Wartehalle, keine Erlösung. Konsumiert wird nur noch ein nüchternes und prosaisches Destillat - keine Poesie .
Er machte es wie früher: Den Rauch einfach ruckartig in die Lungen ziehen. Doch dieser Joint war etwas anderes als die halb gepaffte Gauloises light aus der Vergangenheit.
«Alter, da haut es dich raus, was?», lachte Mätes und klopfte ihm auf den Rücken.
Er bemühte sich um ein breites Grinsen. Finns Körper wurde sprichwörtlich entjungfert, seine Synapsen mit psychotropen Substanzen überschwemmt. Er verspürte einen seltsamen Druck auf der Stirn und seine Augenlider wurden schwer. Die scharfen Kanten der Realität wichen. Musik ertönte. Laute und durchdringende, mit sägenden Gitarren unterlegte Gongschläge, dann markerschütterndes Kreischen, bevor endgültig das Inferno losbrach.
Er hörte Mätes Stimme ganz nah bei sich, er sagte Black Metal ist Krieg, Mann, und das dröhnende Lachen, das er folgen ließ, verursachte ein Kitzeln in seinem Gehörgang. Alles war in Bewegung. Alles schien lebendig. Es war ein spannendes und bejahendes Gefühl. Die Couch, der ganze Raum kam ihm plötzlich wie eine warme Höhle vor. Mätes und Leif, die er keine Stunde kannte, wie Brüder. Er fühlte sich seit sehr langer Zeit wieder geborgen.
Mätes und Leif unterhielten sich, doch ihre Stimmen waren leise und weit weg. Finn war bereits im Spannungsfeld größter Sanftmut und zerstörerischer Leidenschaft versunken. Die Pforten seiner Wahrnehmung hatten das verrückt, was er bis dahin als die Wirklichkeit akzeptiert hatte. Die auf ihm lastende Schwere war überwunden, der Rausch spielte mit seinem Bewusstsein Katz und Maus.
All die Bilder, die er bis jetzt versucht hatte zu verdrängen, tauchten nun als unzusammenhängende Fragmente vor seinem inneren Auge auf. Nach einem weiteren Zug am Joint konnte er spüren, wie der heiße Rauch seine Lungen füllte, wie sich sein Körper im Rausch ausdehnte, wie er größer wurde. Die Angst war verflogen. Er schloss die Augen und ließ sich bereitwillig in die Untiefen seiner Vorstellungswelt hinabziehen.
Sein Gehirn hatte sich endgültig in ein Kino verwandelt, die Leinwand in seinem Kopf füllte sich von allein. In der Dunkelkammer seines Bewusstseins entstanden neue Bilder, Bilder in einer alles überlagernden Schärfe; Bilder wie Killer. Sein privater Vorführraum projizierte diese auf die Rückseite seiner Retina und sie wurden sichtbar .
Er sah das zerschmetterte Gesicht seiner Mutter, einen roten, offenen Fleischklumpen.
«Wo is die Toilette?»
«Hinten links, an der Küche vorbei!»
Nachdem er die Tür aufgerissen hatte, registrierte er die Frau, die sich in der Badewanne rekelte, vielleicht für eine Millisekunde. Dann erbrach er sich in das Waschbecken.
«Und wie ist dein Name?»
Ihre Stimme klang lakonisch, und während sie sprach, streichelten ihre Hände den Badeschaum. Die unregelmäßig sprießenden schwarzen Punkte, die sich über das Delta ihres flachen Venushügels erstreckten, wirkten wie Spritzer feuchter Erde. Er sah verlegen zu Boden.
«Ravachol»
«Und? Was machst du hier?»
«Ich musste dringend kotzen!»
«Das sehe ich, deswegen musst du nicht gleich rot werden.»
Er versuchte, die Situation mit einem Lächeln zu überspielen.
«Kleiner, du glotzt mich an wie‘n Behinderter!»
«Es … es tut mir sehr leid …»
«Das will ich auch hoffen. Biste bald mal fertig?»
Er nickte.
«Du kannst es nicht bleiben lassen, was?»
«Was denn?»
«Mich anzuglotzen ! Hast du noch nie 'ne nackte Frau gesehen?»
«Natürlich
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