Antiheld - Thriller (German Edition)
wie all die anderen ewig langen Vorträge, die ihm bereits sein Therapeut erzählte.
»Wissen Sie, Andrew«, sagte Keller, der dabei war, den Raum zu verlassen. »Manchmal ist es ratsam, sein eigener Held zu sein.« Dieses mal verzichtete er auf die beruhigende Wirkung seines Lä chelns Die Worte sollten ihren Ernst nicht verfehlen.
Was sie auch keinesfalls taten.
Keller winkte zum Abschied, bevor er Andrew endgültig alleine ließ.
Dieser saß weiterhin auf der Couch. Sein Blick verharrte auf den inzwischen leeren Türrahmen.
Sein eigener Held sein.
Es war so simpel.
Er strich das wenige Haar auf seinem Kopf zurecht, richtet Hemd und Krawatte. Danach reinigte er die Gläser seiner Brille. Ein Besuch beim Direktor des Institutes stand an. Hierfür musste er einen guten Eindruck hinterlassen.
Immerhin wollte er für den restlichen Tag frei bekommen.
*
Judy Michaels schob mit der Zunge ihren Kaugummi auf die linke Seite ihres Kiefers, um dort weiter kauen zu können. Während sie gelangweilt in einer Zeitschrift für schöneres Wohnen blätterte, beobachtete sie aus den Augenwinkeln heraus den schmuddeligen Kerl, der bereits seit gut einer Stunde die DVD-Reihen durchstöberte. Gerade war er in der Sektion »Fette geile Weiber« angekommen, wo er auch schon gleich nach einem Film griff. So lange er diesen in der Hand behielt und nicht heimlich unter seinen Pullover schob, konnte er ihretwegen hier übernachten.
Die Türklingel ertönte, woraufhin ein Mutter-Tochter-Duo ki chernd eintrat. Dies veranlasste den Kerl dazu, rasch in die Knie zu gehen, um nach der »verflixten Kontaktlinse« zu suchen.
Judy grinste, wobei der Kaugummi zwischen ihren Vorderzähnen steckte. Es war zwar kein angenehmer Job, doch zumindest blieb er unterhaltsam.
»Entschuldigen Sie!?«, fragte die Mutter, wobei man erst auf den zweiten Blick erkannte, wer von den beiden nun wer war. Sie sahen beide gleichermaßen jung aus.
»Ja, bitte?«, meinte Judy, wobei sie es keineswegs unterließ, den Kaugummi schmatzend zwischen ihre Kauleisten gleiten zu las sen.
»Wir suchen die Kostümabteilung.«
Genau wie sich Judy gedacht hatte. In einigen Tagen stand Hal loween an, weswegen der Laden nun auch von mehr Frauen be sucht wurde, die auf der Suche nach witzigen, einfallsreichen oder aber auch freizügigen Verkleidungen waren.
»Einfach um die Ecke herum und dann weiter geradeaus gehen. Sie stoßen direkt darauf.«
Die Mutter, womöglich aber auch die Tochter bedankte sich bei Judy. Heiß wurde unter den Frauen diskutiert, ob eher die gefähr liche Polizistin oder gar die äußerst liebevolle Krankenschwester das richtige wären, als es erneut klingelte.
»Hey!« Judys rundliches Gesicht strahlte. »Ich habe Sie bereits begonnen, zu vermissen.«
»Wo ist er?« Andrew schnellte ungehindert zu Judy an den Tre sen, welche ehrfürchtig zurückwich. Beinahe hätte sie sich an ih rem Kaugummi verschluckt. Hustend klopfte sie gegen ihre Brust.
»Wo ist wer?« Tränen brannten in ihren Augen.
»Der Anzug!« Andrew machte Anstalten dazu, geradewegs über den Glastresen hechten zu wollen, um der Verkäuferin an die Gurgel zu springen. »Im Schaufenster ist er nicht mehr, also, wo finde ich ihn?«
»Anzug?« Räuspernd wischte sie mit dem Handrücken über ihre geschlossenen Lider. »Was zum Teufel für ein Anzug?«
Andrew sah aus, als ob er die Frage Judys nicht wirklich ver standen hätte. »Was für ein Anzug!?« Verständnislos deutete er in die Richtung von besagtem Schaufenster. »Der Anzug, der bis vor kurzem noch dort hing.«
»Ach, der!« Judy atmete hörbar aus. »Den haben wir nicht länger im Sortiment.«
»Was?« Andrew knallte beide Handflächen auf den Tresen, dass das Glas zu beben begann. »Wie kann das möglich sein!? Letztens hing er noch im Schaufenster!«
Judy spuckte ihren mittlerweile geschmacklosen Kaugummi in ein Papiertaschentuch. Dabei musterte sie misstrauisch Andrew. »Sie beginnen schon wieder unhöflich zu werden.«, bemerkte sie. »Außerdem war dies bloß ein kleiner Scherz meinerseits.« Ein spitz zulaufender Daumennagel zeigte hinter sie auf einen Vor hang aus nachtblauem Samt. »Im Lager müssten wir ihn noch vor rätig haben.«
»Dann holen Sie ihn gefälligst!« Andrews Hände schlugen gegen das Glas, was bewirkte, dass der schmuddelige Kerl erschrocken zusammen zuckte. Als dieser zu Judy sah, ereilte ihn ein warnender Blick.
»Einen Augenblick, bitte«, brummte Judy, ehe ihre korpulente
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