Antiheld - Thriller (German Edition)
beiden Männer, die sie ihrerseits ebenfalls beobachteten. Untereinander wurde getuschelt. Wahrscheinlich hielten sie die beiden für Cops oder so etwas in der Richtung.
»Wir sind volljährig!«, erklärte einer mit Dreadlocks. »Wir dürfen trinken!«
»Meinetwegen«, knurrte Christian, wobei er zusehen musste, wie der Nebelfänger ihm den Rücken zudrehte und zum Abschied noch ein letztes mal winkte.
Bis zum nächsten mal! Nebel oder nicht, ich mache dich fertig!
»Aus dem Weg, ihr Deppen!« Roxy trat in die Pedale des Fahrrads, während sie unaufhörlich die Klingel betätigte. »Ich hab's eilig!« Doch zu ihrer Enttäuschung musste sie feststellen, dass Christian allein auf dem Hof stand.
»Hey, was soll das?« Sie bremste und stieg vom Fahrrad ab, wo durch man nun auch Jeff sehen konnte, der in dem Wagen saß, der hinter dem Gepäckträger hinterher gezogen wurde.
»Boss!?«, fragte dieser ernst, woraufhin Christian bloß ein Kopf schütteln wiedergab.
»Er ist uns wieder mal entkommen.«
10
Als Vincent Keller diesen Montagmorgen das Lehrerzimmer betrat, war dieses noch abgedunkelt gewesen. Nichtsdestotrotz konnte er die Anwesenheit einer Person wahrnehmen. Bevor er das Licht betätigte, wollte er sich Gewissheit verschaffen.
»Hallo?«, rief er in den Saal hinein. Er selbst blieb dabei im Tür rahmen stehen. »Ist da wer?«
»Bloß ich«, antwortete eine Männerstimme wispernd.
Keller konnte nicht verhindern, dass ihm ein Schauer über den Rücken lief. »Und wer ist ich !?«
Die Neonröhren sprangen mit einem summenden Geräusch an, wobei sie das Dilemma in Szene setzten.
»Andrew!?« Es klang mehr nach einer Frage. Keller erkannte seinen Kollegen kaum wieder. »Sind Sie krank?«, fragte er vorsich tig, da ihm Andrews Blässe keineswegs entgangen war. Die schmalen Lippen zitterten, bei dem Versuch ein Lächeln zu for men. »Mir geht es gut .« Die feuchten Augen bezeugten jedoch et was anderes. »Mir geht es fabelhaft .«
»Reden Sie doch keinen Unsinn!« Seufzend ließ sich Keller ebenfalls auf dem Sofa nieder. »Was ist los?«
Schwer zu sagen, ob Andrew einem Lach- oder einem Heul krampf nahe war.
»Geht es um die Schüler?« Wirklich niemandem entging, wie Andrew täglich mit den Jugendlichen zu kämpfen hatte.
Andrew schloss die Lider, konnte seine Trauer aber weitestgehend zurückhalten. »Ich habe keinem etwas zu Leide getan!«, krächzte er mit verbliebener Stimme. »Warum also, straft man mich so?«
Keller fuhr über den Rücken Andrews. »Sie dürfen sich das nicht so zu Herzen nehmen.« Andrew riss seinen Kopf herum. Die Augen, abnormal aufgerissen, wirkte er wie ein gehetztes Tier.
»Nicht so zu Herzen nehmen!?«
Mittlerweile stand er. Keller wagte es kaum, dem paranoiden Blick seines Kollegen auszuweichen. Jetzt war es wichtig, ihm all seine Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. So schwer es auch fiel.
»Was bin ich für euch?« Er deutete auf seine hagere Gestalt, die über das Wochenende noch einmal an Gewicht verloren zu haben schien. Er schöpfte mittlerweile das gesamte Volumen seiner Stimme aus. »Bin ich für euch alle so eine Art Idiot, mit dem man herum springen kann, wie es euch in den Kram passt!?«
»Nein, ich-«
»Scheißdreck!« Die Knöchel seiner geballten Fäuste traten weiß hervor, wobei eine pulsierende Ader auf seine Stirn trat.
»Andrew«, versuchte ihn Keller zu beschwichtigen. »Es ist alles in Ordnung!« Trotzdem vergrößerte er den Abstand zu seinem aufgebrachten Gegenüber.
»Diese Schlampe!«, kreischte Andrew, den Finger dabei auf eine willkürliche Ecke des Raumes gerichtet. »Und dieser kleine Pisser! Die versuchen mich fertig zu machen. Das werde ich allerdings nicht zulassen. Die werden mir mein Leben nicht ruinieren!«
Keller zeigte Verständnis, indem er nickte. »Ihre Wut ist durchaus nachvollziehbar.« Er senkte den Blick, bevor er fortfuhr. »Das einzige, was ich Ihnen im Moment raten könnte, wäre ...« Er sah auf die Uhr. Anscheinend stand bereits die nächste Unterrichts stunde an, denn erhob er sich. »Warten Sie nicht darauf, dass et was passiert!«
Andrews Züge verharrten in ihrem Ausdruck, geprägt von purem Zorn und Enttäuschung. Doch begann sich sein Mund zu ent spannen. Er bildete den gleichen schmalen Strich, wie sonst auch.
»Niemand wird kommen und Ihnen den Kummer wegnehmen. Das müssen Sie selbst tun.«
Andrew verstand durchaus, was ihm Keller mitzuteilen versuchte, doch klang es für ihn einfach
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