Antiheld - Thriller (German Edition)
der Maske.
»Sachte, sachte!«
Mit flachem Atem besah Andrew das matte Leder, das sich eng um die Kopfnachbildung schmiegte. Keine Öffnung für Mund oder Nase. Ausschließlich die Augen wurden hinter schmalen Schlitzen freigegeben.
»Die Atmung dürfte etwas eingeschränkt sein«, meinte Judy nachdenklich. »Jedoch keineswegs in einem Maß, das Erstickun gen verursachen könnte.« Mit verschränkten Armen lehnte sie ge gen das Regal. Ihr Blick wirkte amüsiert. »Ihnen scheint es dieser Anzug wirklich angetan zu haben, was?«
»Wie viel kostet die hier?«
Der Kerl wirkte nun noch mehr wie ein Roboter. Judy glaubte, dass es bereits damals so schlimm gewesen sei, doch der Andrew von heute übertraf in dieser Hinsicht alles. »Knapp 100. Aber Ih nen gebe ich sie umsonst.« Judy erwartete keineswegs Dank oder etwas dergleichen, weswegen es sie auch keineswegs überraschte, als Andrew Reaktion bloß aus einem Nicken bestand.
Zusammen gingen sie erneut an die Kasse, wo Judy Andrews Kre ditkarte dankend entgegennahm.
»Hoffentlich sieht Ihre Frau die Kreditkartenabrechnung nicht. Sonst könnte sie es irgendwie missverstehen, wenn dort der Name des Ladens steht.«
»Zum letzten mal«, seufzte Andrew. »Ich habe keine Frau!«
»Stimmt ja!« Sie fuhr sich an die Stirn. »Ich Dummerchen. Habe ich wohl vergessen.« Beschämt lächelnd packte sie nun auch die Maske in die Tüte. »Eine Frage, Andrew.« Sie stützte ihr Gewicht mit den Unterarmen auf dem Tresen ab, wobei sie sich in die Richtung Andrews vorbeugte. »Da Sie ja alleine stehend sind, so wie ich, hätten Sie da eventuell Lust mit mir essen zu gehen!?«
Es bedurfte keiner verbalen Erwiderung. Andrews entsetzter Blick sprach Bände.
»Okay, ich habe verstanden!« Judy erhob beide Hände. »Sie haben keine Frau, aber bin ich einfach nicht Ihr Typ. Belassen wir es dabei.«
Klar, anfangs erschien ihr der Typ seltsam, doch mit der Zeit schaffte sie es, hinter die Fassade zu blicken. Hinter die Brille und den faltigen Trenchcoat. Was Judy erblickte, war ein Mensch. Kein schmieriger Bürokrat, Lehrer oder was auch immer. Sondern einfach nur einen Menschen mit Gefühlen.
Eine Zeit lang betrachtete Judy Andrew, bis ihr in den Sinn kam, dass sie den Kerl kaum kannte. Dies hier war gerade mal ihr zweites Treffen. Unvorstellbar, sich in solch kurzer Zeit zu verlie ben. Judy sah es ein. Sie musste aufhören, diese schmalzigen Lie besromane zu lesen, denn war sie im Begriff sich ihren eigenen zusammen zu spinnen.
»Womöglich könnten wir uns ja doch ...«
Die Klingel ertönte ein weiteres Mal. Das letzte, was sie von Andrew sah, war sein beigefarbener Mantel, der immer weiter in der Ferne verschwand. Ein Abschied, ohne ein einziges nettes Wort gesagt zu haben. Was, wenn sie einander nie wieder sahen!?
Judy konnte es zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnen, doch sollte sie bald schon erneut in die traurigen Augen Andrews blicken. Spätestens dann, wenn sie die Morgenzeitung vom 01.11. auf schlug. Dort wären erneut die Augen, in aschgrau auf das Papier gebannt.
»Hey, Kleiner!«
Der zwielichtige Typ, der bereits die ganze Zeit über durch die Reihen schlich, fuhr merklich zusammen. Judy war keineswegs entgangen, dass sich dieser einen Film in den vorderen Hosen bund gesteckt hatte.
»Kumpel, nimm sofort das Ding aus deiner Hose und damit meine ich ganz sicher nicht deinen Schwanz!«
*
Chad Kingsley erwachte dank eines Geräuschs. Schade nur, dass man Geräuschen nicht in den Arsch treten konnte, denn dazu hatte er nun gut und gerne Lust gehabt. Immerhin war es gerade mal zwei Uhr in der Früh.
Dann aber machte er sich Gedanken, um welche Art von Ge räusch es sich gehandelt haben könnte. Klang wie ein Klopfen, nicht unweit vom Haus entfernt.
Fluchend versuchte Chad seinen Körper aus der Decke zu be freien, die seinen Körper umwickelt hatte. Hierbei fiel sein Blick zur Tür. Chad erstarrte bei dem Anblick des hochgewachsenen Kerls, der ihn dort anvisierte.
Dann aber merkte er, dass es sich bloß um das dort angebrachte Poster von einem seiner favorisierten Footballspieler handelte.
Das Klopfen wurde indes lauter.
»Du Sackgesicht! Warte nur, bis ich komme!« Chad schlüpfte, nur mit Shorts und T-Shirt bekleidet, in seine Turnschuhe. Aus dem Regal nahm er eine Taschenlampe. Mehr bedurfte es nicht, um diesem Störenfried eine Lektion zu erteilen.
Auf leisen Sohlen schlich er die Treppe hinab, durch das Wohnzimmer, die Tür hindurch und umrundete das
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