Anton Pfeiffer und der Zauberkongress (German Edition)
jungen Damen im rosa Kostümchen reichte ihr einen kleinen Creme- Tigel , den sie ergriff und in die Höhe streckte. „Ultra 2000 – die ultimative Lifting-Sensation!“
Wieder blitzten die grellen Lichter von Fotoapparaten auf. Die schwarzgekleidete Dame lächelte und fuhr fort: „Sublimiertes Algen-Extrakt, diamantenverfeinert, mit einer nur mir bekannten Mischung aus doppelt kerngespa l tenem Seeigelschaum.“
Mit einer souveränen Handbewegung öffnete sie den Creme- Tigel . „..Und das Wichtigste: Ultra straffend und ohne Duftstoffe.“
Ein Raunen ging durch die Zuschauermenge, und die Leute vor der Tribüne begannen zu klatschen.
„Lassen Sie sich von dem Ergebnis überzeugen, meine Herrschaften“, rief die schwarzgekleidete Dame, „meine reizenden Assistentinnen stehen zu Ihrer Verfügung.“ Dann machte sie eine kleine Verbeugung und deutete auf einen rosa blinkenden Verkaufsstand neben der Tribüne. „Das Produkt kann direkt vor Ort erworben werden. He u te zum einmaligen Vorteilspreis!“
Kaum hatte sie ausgesprochen, begannen Zuschauer aus den ersten Reihen die Tribüne zu besteigen, um dort von einer der rosa Damen als Creme-Tester in Empfang genommen zu werden. Andere eilten direkt zum Verkauf s stand, wo sich innerhalb weniger Augenblicke eine lange Schlange bildete.
„Wow“, meinte Anton. „Die Leute scheinen ja sehr überzeugt zu sein von dieser Dame.“
Oskar nickte. „Ja, das sind sie. Valpurgia Stone. Eine der bekanntesten Beauty-Hexen weltweit.“ Er guckte missbilligend in Richtung des rosa blinkenden Verkauf s standes. „Die Alte ist wahnsinnig geschäftstüchtig.“
„Du kannst sie nicht leiden?“
Oskar verzog das Gesicht. „Nein, gar nicht. Sie ist geldgierig, wenn du mich fragst. Außerdem.. “ , er senkte die Stimme, „außerdem sagt man, dass ihr gutes Aussehen nicht von ungefähr kommt.“
In dem Moment ertönte wieder ein Klatschen und laute Ohs und Ahs aus Richtung der Tribüne. Dort war die Wundercreme soeben an den Gesichtern der ersten Test-Nutzer ausprobiert worden. Anton sah, wie sich die hä n genden Hamsterbacken eines pummeligen Herren wie von Zauberhand nach hinten zogen. Ein wenig gezerrt sah das Gesicht nun aus – aber zweifellos sehr straff. Ein wirks a mes Produkt, keine Frage.
„Lass uns weitergehen!“, meinte Oskar verächtlich und winkte Anton zu ihm zu folgen. Sie verließen die drä n gelnde Zuschauermenge und machten sich auf den Weg zum nächsten Stand.
Als sie ein paar Meter entfernt waren, ertönte plötzlich eine Frauenstimme in durchdringend hoher, schriller To n lage. „Ich rieche Menschenblut!“
Anton stockte und blieb wie angewurzelt stehen. Me n schenblut? Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, und die Gedanken schwirrten in seinem Kopf hin und her. Hier konnte doch nur einer gemeint sein. Er selbst! Ein Gast ohne Papiere. Ein ganz gewöhnlicher Mensch.
„Schnell!“, zischte Oskar neben ihm und schubste A n ton ein Stück nach hinten. „Versteck dich in der Menge!“
So unauffällig wie möglich trat Anton einen Schritt z u rück und schob sich zwischen die umher stehenden Leute.
Währenddessen offenbarte sich die Trägerin der hohen Stimme. Valpurgia Stone war von der Tribüne gestiegen. Ihre wohlgeformte Nase vibrierte, als hätte sie eine Spur aufgenommen.
„Ein Menschenkind – hier im Saal, ganz in der Nähe!“, stellte sie fest und näherte sich mit langen Schritten der Stelle, wo Oskar stand.
„Das ist völlig unmöglich“, ertönte eine zweite Stimme. Diesmal eine tiefe, männliche. Professor Lummerlich , der Kongressvorsitzende, kam von der Tribüne, gefolgt von den Pagen, die seinen langen Umhang hinter ihm he r schleppten. Einer der Pagen zog ein großes Buch hervor und blätterte darin. „Alle Teilnehmer des Kongresses wu r den ordnungsgemäß identifiziert und registriert“, erklärte der Page und schüttelte den Kopf, „hier gibt es keine Me n schenkinder.“
Aber Valpurgia Stone ließ sich nicht beirren. „Profe s sor. Sie kennen mich, meine Nase hat mich noch nie g e täuscht.“ Sie atmete tief ein und zeigte dann auf die Stelle, wo Oskar stand. „Hier muss es sein.“
Alle Blicke richteten sich auf Oskar, der neben seinem aufgestellten Besenschirm stand und sich nicht rührte. Auf seiner rechten Schulter saß das kleine Glühkäuzchen. Vor Schreck hatte es aufgehört zu leuchten.
„Ich?“, stammelte Oskar. „Nein, ich nicht.“
Professor Lummerlich trat vor.
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