Anton Pfeiffer und der Zauberkongress (German Edition)
Gleichzeitig zog sich am unt e ren Rand eine schmale Krateröffnung immer weiter ause i nander. Ein dumpfes Ächzen erfüllte den Nachthimmel, es klang wie das Erwachen J ahrtausende alter Gestein s massen.
Ein überwältigtes Raunen ging durch die Zuschauerre i hen.
Unter den tellerförmigen Mondgebirgen kamen Augä p fel zum Vorschein, die aussahen wie tiefe, dunkle Kristal l seen, während die furchige Krateröffnung sich zu einem breiten Mund verzog, der zu einem gewaltigen Gähnen ansetzte. Eine Gebirgskette entpuppte sich als mächtige Nase, deren Flügel sich über dem gähnenden Kratermund aufblähten.
Das Publikum starrte mit offenen Mündern nach oben. Nur Professor Rofius schien nicht überrascht. Das riesige Mondgesicht hatte sich ihm zugedreht und betrachtete ihn aus müden, faltigen Augen.
„Ich grüsse dich, mein Lieber“, sagte Professor Rofius und machte eine kleine Verbeugung. „Es ist mir wie immer ein großes Vergnügen, dich zu sehen.“
„ Rofius , du bist es. Du störst mich bei einem wohlve r dienten Nickerchen .“, ertönte es von oben mit tiefer Stimme.
„Entschuldige bitte vielmals, das wusste ich nicht“, antwortete der Professor. Das große Mondgesicht blickte ihn vorwurfsvoll unter gewaltigen Schlupflidern an. Dann aber huschte ein mildes Lächeln über den kratrigen Mund.
„Ach, das Glockenspiel. Du verstehst es, einen alten Mann aus dem Schlaf zu rütteln. Rofius , du Schelm.“ Der Mond sah jetzt fast wehmütig aus, als schwelge er noch in Erinnerungen an die schöne Musik.
„Ich kenne doch deine Vorlieben“, lächelte Professor Rofius . „Wie geht es dir, mein Bester?“
Der Mond schaute schwermütig. „Um die Wahrheit zu sagen. Es geht. Ich fühle mich heute sehr aufgebläht.“
„Aufgebläht?“, fragte Professor Rofius und sah ihn r ü gend an. „ Meteoritengeröll ? Du weißt doch, es ist schwer verdaulich.“
„Nein“, das Mondgesicht guckte schuldbewusst. „Wel t raumschrott.“
Professor Rofius schüttelte verständnislos den Kopf. „Noch schlimmer. Voller Schwermetalle.“
„Aber knusprig.“
„Wie auch immer. Ich werde dir ein Magensäftchen vorbeischicken lassen, das dürfte Abhilfe schaffen“, erklä r te der Professor. Einen Moment lang war es still. „Jetzt aber hätte ich eine kleine Bitte.“
„Was, mein Bester?“ fragte der Mond.
„Nur eine Kleinigkeit. Könntest du für mich einmal die Luft einziehen?“
„Nichts weiter?“, das Mondgesicht guckte fragend.
„Nichts weiter“, nickte der Professor.
„Wenn es weiter nichts ist.“ Der Mond schloss die A u gen. Es sah aus als konzentrierte er sich.
Dann hoben sich die gewaltigen Nasenflügel und b e gannen die kalte Nachtluft in sich einzusaugen. Ein starker Luftzug fegte über den Balkon, während die Mondkugel sich immer mehr zusammenzog. Nur wenige Augenblicke später war aus dem fußballrunden Mondgesicht ein schm a ler Sichelmond geworden. Die riesigen Augäpfel traten angestrengt hervor, und die blasse Mondoberfläche nahm eine rötliche Farbe an.
Im Publikum ertönten laute Ahs und Ohs , und die Blitzlichter von Kameras blinkten auf.
Einen Moment lang verharrte der Sichelmond regung s los, dann machte er sich ans Ausatmen. Mit einem gewalt i gen Stoß schoss die angesammelte Luft aus Mondnase und – mund heraus und entlud sich in einer stürmischen Win d böe, die bis auf den Balkon hinab fegte.
Mit zerzausten Haaren blickte das Kongress-Publikum nach oben, wo wieder der alte Vollmond am Himmel stand und zufrieden nach unten lächelte.
Professor Rofius strich seinen vom Wind verrutschten Umhang zurecht , drehte sich um und verbeugte sich vor dem Publikum.
In den ersten Reihen begann ein Klatschen, das sich zu einem tosenden Beifall steigerte. Begeisterte Bravorufe füllten den stillen Nachthimmel. Was für ein sensationelles Spektakel!
Während Professor Rofius von Zuschauern und Jury-Mitgliedern umringt wurde, liefen zahlreiche Zauberer mit Fernrohren und astronomischen Karten auf dem Balkon umher, diskutierten aufgeregt, deuteten immer wieder nach oben und schüttelten überwältigt die Köpfe.
Der Mond hing wieder wie eine riesige, helle Kugel am schwarzen Nachthimmel. Alles war wie zuvor, und von einem Gesicht war nichts mehr zu erkennen.
Unter den Zuschauern begannen hitzige Diskussionen darüber, wie genau das Mondgesicht ausgesehen hatte. Einige behaupteten, eine riesige Knollennase gesehen zu haben, andere sprachen von einer grazilen,
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