Anton Pfeiffer und der Zauberkongress (German Edition)
Stehlampe neben dem alten Ohrenbackensessel an und ließ sich erschöpft hineinfallen.
Was war das nur für ein Tag gewesen? Unfassbar. Und nun saß er wieder in seinem Kinderzimmer. Vielleicht hatte er ja alles nur geträumt? Anton merkte, dass er u n heimlich müde war. Aber irgendetwas hatte er noch erled i gen wollen. Aber was?
Er starrte in die Luft. Dann fiel es ihm wieder ein. In Windeseile stand er auf und stieg auf sein Bett. Über dem Bett hingen mehrere Bücherregale, alle zum Bersten vol l beladen. Da er das oberste nicht erreichen konnte, holte er einen kleinen Hocker, platzierte ihn auf dem Bett, legte noch ein dickes Kissen darauf und stieg hinauf. Mit Müh und Not erreichte er die oberste Reihe. Prüfend ging er die einzelnen Bücherrücken durch. Beim allerletzten Buch, einem dünnen Taschenbuch, machte er Halt und zog es heraus.
Er setzte sich wieder in den Sessel und strich über den Umschlag: „Häkeln für Fortgeschrittene“. Unter einer dünnen Staubschicht kam ein großes, hellblaues Wol l knäuel zum Vorschein. Mit klopfendem Herzen öffnete Anton das Buch.
Nichts als seitenweise Häkelanleitungen. Anton blätte r te vor, aber es änderte sich nicht. Tipps zum Häkeln, Bi l der vom Häkeln und Häkelbeispiele. Eine Seite so langwe i lig wie die nächste.
Unter dem Umschlag steckte eine Visitenkarte. Anton zog sie hervor und drehte sie im Licht. Sie sah sehr edel aus. Auf seidig schimmerndem Papier stand in feinen, geschwungenen Buchstaben „Hubertus Pfeiffer, Direktor a.D.“, darunter eine Telefonnummer. Auf der Rückseite waren nur zwei Initialen „K.W“. Darüber befand sich als Prägung ein kleines, rotes Ahornblatt.
Es war die Visitenkarte seines Opas, des Vaters seines verstorbenen Vaters. Jetzt erinnerte er sich auch wieder. Das Buch war ein Weihnachtsgeschenk von Opa Hubertus gewesen. Das Kürzel a.D. stand für „außer Dienst“, denn der Opa war schon seit Jahren in Rente. Früher hatte Opa Hubertus für eine Organisation in Kanada gearbeitet. D a her das Ahornblatt auf der Visitenkarte, das Symbol der kanadischen Nationalflagge. Wofür stand noch K.W.? Jetzt erinnerte er sich, kanadisches Wirtschaftsministerium.
Wie auch immer. Das Buch schien ein stinknormales Häkelbuch zu sein. Anton war ziemlich enttäuscht. Er blätterte nochmal mit dem Daumen hindurch. Dabei stel l te er fest, dass in der Mitte zwei Seiten zusammenklebten. Die gegenüberliegenden Seiten 33 und 34. Vielleicht ein Fabrikationsfehler? Vorsichtig machte er sich daran, die beiden zu trennen. Aber so einfach war das gar nicht. Schließlich musste er ein Lineal zur Hilfe nehmen. Vo r sichtig zog er Seite 33 und 34 auseinander.
Anton riss die Augen auf und starrte auf die Seiten. „Taschenbuch der Zauberei“ stand da in schnörkeligen, schwarzen Buchstaben, verziert mit allerlei seltsamen Schriftzeichen. Ihm lief ein Schauer über den Rücken, und er blätterte weiter. Tatsächlich. Zaubersprüche, Zaube r tränke, alchemistische Formeln, Flüche und Verwü n schungen. Alle alphabetisch geordnet mit Unmengen von Fußnoten und kleinen, altertümlichen Abbildungen. Es wollte gar kein Ende nehmen. Von A wie amouröser Li e bestrank bis X wie Xanthippenbetörung oder Z wie Zwietrachtzauberei . Ein schier unendlicher Inhalt in einem läppisch dünnen Büchlein.
Mit zitternden Händen klappte Anton das Buch auf seinem Schoss zu. Also stimmte es tatsächlich. Er war im Besitz des Taschenbuchs der Zauberei. War das ein Zufall?
Anton legte das Buch auf den Schreibtisch. Heute wü r de sich die Sache nicht mehr klären lassen. Wahrscheinlich war es das Beste, einfach schlafen zu gehen.
In dem Moment ertönte ein Klingeln. Anton blieb e r schrocken stehen. Wer rief um diese Zeit noch an? Er rannte zur Zimmertür, öffnete sie und streckte den Kopf hinaus. Nein, das Telefon neben dem Küchentisch rührte sich nicht. Es musste etwas anderes sein.
Er schloss die Zimmertür wieder, blieb stehen und lauschte. Das Klingeln kam aus seinem eigenen Zimmer. Es klang gedämpft und schien aus der rechten Ecke zu kommen. Anton ging zu den gestapelten Kartons, in d e nen er sein altes Kinderspielzeug aufbewahrte. Hastig öf f nete er den obersten. Nein, hier war nichts. Wieder ertönte das Klingeln, jetzt etwas lauter als zuvor. Anton zog den untersten Karton hervor und öffnete ihn. Auf einem St a pel von Legoautos und Plastikfiguren thronte sein altes Kindertelefon.
Das legendäre Plappertelefon von Fisher Price.
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