Anton Pfeiffer und der Zauberkongress (German Edition)
Tischmanieren hielt, steckte sich eine Serviette in die Bluse und nahm sich ein kleines Himbeertörtchen . Auch Anton griff zu und füllte eine Schüssel mit Spaghetti und Tomatensauce. Schweigend und zufrieden kauend standen sie vor ihrem Tisch.
Auch die anderen Kongress-Gäste hatten sich dem gemütlichen Teil der Veranstaltung hingegeben. Fröhliches Gelächter und das leise Geklapper von Geschirr füllte den Saal. Zwischen den Stehtischen flanierten Jung und Alt hin und her. Alle schwatzten und lachten und nahmen sich von den leckeren Köstlichkeiten.
„Ein wunderbares Essen“, schwärmte Oskar, als er den letzten Happen Bratkartoffeln vertilgt hatte und sich z u frieden den Mund abputzte. „Ich bin gespannt, was das Abendprogramm ist.“
„Ist es denn schon Abend?“, fragte Anton und blickte auf seine Armbanduhr. Der Stundenzeiger stand immer noch, leicht vibrierend, irgendwo zwischen zwölf und ein Uhr Mittag.
„Könnte sein“, meinte Oskar. „Abends wird in der R e gel noch irgendeine großartige Zauberei vorgeführt. Eine, die so gut ist, dass sie Chancen auf den Pokal hat.“
„Stimmt“, meinte Emma und lächelte. „Letztes Jahr gab es einen fliegenden Zirkus am ersten Abend. Ein ziemlich lustiges Spektakel.“
In diesem Moment ertönte zum zweiten Mal der laute Gong. Diesmal erschraken sie nicht, obgleich die Gläser auf den Tischen leise klirrten. Als der Ton verebbt war, dimmte sich das Kerzenlicht ein weiteres Mal.
Gleichzeitig setzten sich die roten Samtvorhänge in Bewegung, hinter denen die gewaltige Fensterfront des Saals verborgen lag. Völlig geräuschlos schoben sie sich nach rechts und links zur Seite. Dahinter kamen große, silbern verzierte Glastüren zum Vorschein. Diese öffneten sich und gaben den Weg nach draußen frei. Ein kalter Windzug fuhr in den Saal.
Anton, Oskar und Emma stellten ihre Gläser beiseite. Ihr Stehtisch befand sich nur wenige Schritte entfernt von der Fensterfront. Und so waren sie die ersten, die neugierig auf den Balkon ins Freie traten.
Anton blieb der Mund offen stehen. Vor ihnen lag ein pechschwarzer, sternenklarer Nachthimmel.
Über dem Balkongeländer prangte der Mond. Groß, wie er ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Riesig und maje s tätisch. Dahinter funkelten die Sterne. Wie winzige Di a mantensplitter vor einem endlosen, pechschwarzen Raum.
Der Balkon hatte einen blanken Boden aus hellem Marmor, auf dem sich die Sterne spiegelten. Eine kalte, fast unwirkliche Stille lag über dem Ganzen.
Anton erschauerte. So einen gigantischen Nachthimmel hatte er noch nie gesehen. Oder vielleicht doch? Schlie ß lich standen die Sterne jede Nacht am Himmel. Aber so wie heute hatten sie noch nie ausgesehen. Kühl und fast ein bisschen spöttisch funkelten sie aus der Ferne. Wie Wächter aus einer fremden Welt. Aber wo war die Erde?
Anton ging vor zum Balkongeländer. Als er hinunter schaute, wurde ihm schwindelig.
Vor ihm lag nichts als stille Dunkelheit. Unterhalb des Balkons sah man die Schatten von Wolken vorüberziehen. Geräuschlos wie feine, halb durchsichtige Wattebäusche. Staunend blickte Anton in die große, kalte Stille, und ein kühler Schauer lief ihm über den Rücken.
Erst jetzt bemerkte Anton, dass ein Stückchen weiter am Geländer ein Mann stand. Er musste schon die ganze Zeit dort gewesen sein. Er war groß und stattlich und trug ein kleines, ausziehbares Fernrohr in der Hand, das er sich vor das rechte Auge hielt.
Unschwer zu erkennen handelte es sich um einen Za u berer. Er trug einen langen, blauen Umhang, reich verziert mit sichelförmigen Monden und seltsamen Schriftzeichen. Seidig schimmernd und wie gemacht für die nächtliche Szenerie.
Inzwischen waren auch Oskar und Emma hinter Anton an das Geländer getreten. „Wunderschön, nicht wahr?“, flüsterte Emma. Anton und Oskar nickten. Selbst der kle i ne Glühkauz auf Oskars Schulter gab ein ergriffenes Gu r ren von sich.
„Es ist wirklich seltsam“, meinte Anton und blickte in die Dunkelheit, „ich hätte schwören können, dass wir erst späten Nachmittag haben. Stattdessen ist es Abend, und der Mond steht am Himmel? Seltsam, wie die Zeit verga n gen ist.“
„Zeit ist etwas, was man an der Uhr abliest.“
Die drei drehten die Köpfe. Der Zauberer neben ihnen am Geländer hatte gesprochen.
Anton schüttelte den Kopf und tippte auf seine Ar m banduhr. „Aber die Uhr funktioniert nicht.“
„Siehst du“, sagte der Zauberer.
Anton schwieg
Weitere Kostenlose Bücher