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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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vorsichtigen Schritten über die Flächen, wo Moos die Erde wie ein dicker Pelz überzog. Manchmal stellte ich mir vor, Karl würde mich in einen Zauberwald führen.
    Â»Verstehst du nun, warum ich nicht zulassen kann, dass Menschen aus reiner Gier den Wald Stück für Stück abholzen? Dass ich jeden Flecken Erde, den ich bekommen und bezahlen kann, kaufe, um ihn wieder mit Tannen und Fichten aufzuforsten?«, fragte mich Karl eines Tages. Ich nickte stumm. Ja, ich wusste, was er meinte. Und ich verstand ihn auch, als er sagte: »Hier im Wald offenbart sich Gott, nicht unten in der Rombacher Kirche …«
    Es war ein sonniger Morgen, der schönes Wetter und gute Laune versprach. Überall standen die Holunderbüsche in voller Blüte, und ihr herber Geruch erfüllte die Luft. An den Heckenrosen schwollen die Knospen von Tag zu Tag mehr an – es würde nicht mehr lange dauern, bis sich die ersten zartrosafarbenen Blütenblätter aus ihrer engen Hülle befreiten. Zwischen dem stacheligen Blätterwerk schwirrten bereits ungeduldige Bienen umher, voller Erwartung, von dem königlichen Nektar trinken zu können.
    Das Keckern des Eichelhähers vermischte sich mit dem hungrigen Zirpen von Nesthockern, die darauf warteten, dass ihre fleißigen Eltern den nächsten Wurm brachten.
    Doch trotz alledem waren Simones Gedanken so düster wie an einem kalten Novembertag.
    Sie war zu ihrem wöchentlichen Besuch auf dem Moritzhof unterwegs, und als einziges Mitbringsel für Rosanna hatte sie schlechte Laune und die Nachricht dabei, dass Zacharias noch in diesem Sommer heiraten würde.
    Wie sollte sie ihr das nur erklären?
    Seit Bubis Geburt hatte Simone das Gefühl, der geliebten Freundin nicht mehr so nahe zu stehen wie einst. Simone verstand das nicht. Natürlich musste sich Rosanna um ihr Kind kümmern. Aber gab es denn wirklich nichts anderes mehr? Wann immer Simone anhob, etwas aus dem Dorf oder der Wirtschaft zu erzählen, konnte sie sicher sein, dass der Kleine zu krähen anfing und Rosanna aufsprang, um nach ihm zu sehen.Sie hatte sich nicht einmal richtig über den Kindbett-Wecken gefreut, den sie ihr extra aus allerfeinstem Mehl gebacken hatte – heimlich, damit die Mutter es nicht mitbekam.
    War es nötig gewesen, zur Kindstaufe drei fremde Männer einzuladen, von denen einer unheimlicher aussah als der andere? Sie seien Freunde von Karl aus der Schweiz, hatte Rosanna lediglich gesagt. Einer von ihnen, den sie »den Engländer« nannten, war sogar Pate geworden. Und dann dieser Wanderpfarrer mit dem schrecklich zerlöcherten schwarzen Umhang! Wie der Sensenmann hatte er ausgesehen und nicht wie ein Pfarrer. Ach, warum hatte die Taufe nicht in der schönen Rombacher Kirche stattfinden können? Mit Orgelklängen und Weihrauch und dem reich verzierten Taufbecken … Stattdessen hatte sie, Simone, als Taufpatin eine Blechschüssel mit Wasser halten müssen. Das Ganze hatte im Hof stattgefunden, während im Hintergrund die beiden Ziegen blökten, die der Großvater Rosanna geschenkt hatte, und seine Bienen immer wieder Angriffe auf den kleinen Bubi flogen.
    Noch eine weitere Sache ließ Simone keine Ruhe. War es nötig gewesen, den Kleinen nach dem Großvater zu benennen? Karl – was für ein schrecklicher Name! Warum hatte Rosanna das Kind nicht Jacob genannt, nach jenem Jacob, der ein Jünger Jesu gewesen war und der am dritten Mai seinen Namenstag hatte. Aber nein, Karl hatte es sein müssen!
    Ein hämisches Lächeln umspielte jetzt Simones Mundwinkel.
    Mutter hatte natürlich Gift und Galle gespuckt, als sie von dem kleinen Karl hörte. Sie nannte Rosanna eine Erbschleicherin, der jedes Mittel recht sei, um an Großvaters Hab und Gut zu gelangen. »Dieses Weib setzt ihre Brut wie ein Kuckuck ins fremde, gemachte Nest!«, tobte sie und fügte hinzu, dass sie als Tochter da auch noch ein Wörtchen mitzureden hätte!
    Simone, die froh war, dass ihre Mutter nach endlosem Bitten und Betteln erlaubt hatte, dass sie die Gotti, also die Patin, des kleinen Buben wurde, hatte geschwiegen. Was wusste Mutter schon? Als ob Rosanna, dieses Unschuldslamm, je auf einensolchen Gedanken gekommen wäre! Und außerdem – was gab es bei dem alten Greis schon zu holen?
    Allerdings war der Großvater seit der Taufe regelrecht aus dem Häuschen. Führte sich auf, als

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