Antonias Wille
zu dem Versprechen, eine Fronleichnamsfahne und eine besonders reich verzierte Votivtafel anfertigen zu lassen, noch die Zusicherung gesellt, dass Rosanna vor ihrer Heirat auf eine Wallfahrt gehen würde, um für die Erlösung von ihren Sünden zu beten. Wirklich ausschlaggebend war nach Karls Ansicht jedoch das Säckel Geld gewesen, das er dem Pfarrer »für die bedürftigen Seelen« der Gemeinde zugesteckt hatte und in dem sich ganze fünfzig Mark befanden.
Was sind fünfzig Mark dafür, dass ich am ersten Sonntag im November als Bräutigam vor den Traualtar treten werde?, fragte sich Karl, während er sich vom Pfarrhaus entfernte.
Er war so guter Laune, dass er überlegte, auf einen Abstecher in den »Fuchsen« zu gehen. Da würde die liebe Familie Augen machen! Sie mochte sich den Kopf darüber zerbrechen, was ihn ins Dorf getrieben hatte, aber er würde natürlich kein Wort verraten.
Franziska erfuhr von der Heirat noch früh genug. Spätestens dann, wenn der Pfarrer im Oktober von der Kanzel herab verkündete: »Zum heiligen Sakrament der Ehe haben sich versprochen Rosanna Schwarz und Karl Moritz â¦Â«
Das würde ein Zischen und Raunen auf der Weiberseite geben! Zu schade, dass er nicht dabei sein konnte. Aber an den ersten beiden Verkündigungssonntagen war es Brauch, dass Braut und Bräutigam der Kirche fernblieben. Erst am dritten Sonntag war ihnen der Kirchenbesuch wieder erlaubt.
Unschlüssig blieb Karl auf dem Dorfplatz stehen. Sollte er nun im »Fuchsen« vorbeischauen?
Nein, sein Bier konnte er auch mit Rosanna trinken. Sie fragte sich bestimmt schon, wo er so lange blieb.
Vielleicht würde er zur Feier des Tages auch eine Flasche von dem Wein aufmachen, den der Engländer ihm beim letzten Besuch mitgebracht hatte.
Ja, das war eine hervorragende Idee. Ein Glas Wein würde Rosanna gut tun.
Und während sie gemeinsam tranken, wollte er ihr die frohe Botschaft übermitteln, dass sie in den nächsten Wochen auf Wallfahrt gehen würde.
Am ersten August heiratete Zacharias, am Wochenende darauf brach ich mit Simone zu einer Wallfahrt auf. Dass Zacharias ihr die Erlaubnis dazu gegeben hatte, wunderte mich. Als ich Simone darauf ansprach, sagte sie, es wäre Elsbeth gewesen, die ihm zugeredet habe. Sie sei auch schon wallfahrten gewesen und würde dieses Erlebnis mit Sicherheit ihr Leben lang nicht mehr vergessen. Statt sich über die Freundlichkeit ihrer Schwägerin zu freuen, hetzte Simone jedoch nur darüber, dass sich Elsbeth bei ihr einschmeicheln wolle und dass sie das nie und nimmer erweichen konnte. Simone hat es den Menschen noch nie leicht gemacht, sie zu mögen.
Unsere Wallfahrt führte uns nach St. Märgen. Dieser hübsche Ort liegt ein gutes Stück nördlich von Rombach. Wenn man von dort aus ins Tal guckt, kann man fast schon Freiburg sehen! In St. Märgen wollten wir zum Gnadenbild der Muttergottes beten. Wir waren drei Tage lang von früh bis spät unterwegs, ich mit Bubi auf dem Rücken und Simone mit unserem Gepäck. Wenn es dunkel wurde, fragten wir bei einem Bauern an, ob wir in dessen Scheune übernachten durften. Wallfahrern wird dieser Wunsch stets gern gewährt. In St. Märgen sollten wir uns ein Zimmer im Gasthof Hirsch nehmen, dessen Besitzer ein alter Bekannter von Karl war. Ich freute mich darauf, einmal wie eine feine Dame in einem Fremdenzimmer zu nächtigen. Ansonsten konnte ich dem Unternehmen nicht viel abgewinnen, sah aber ein, dass es sein musste.
Das lange Marschieren in der Hitze war anstrengend. Manchmal hatte ich das Gefühl, vor Durst umzukommen, und ausgerechnet dann war natürlich kein Brunnen oder Bach in der Nähe. Simone schienen weder die Hitze noch der Durst etwas auszumachen. Wenn sie nicht gerade betete oder Kirchenlieder sang, lachte sie aus vollem Herzen. Je heiÃer der Tag wurde und je beschwerlicher unser Weg, desto glückseliger wurde sie. Daswäre das Schönste, was sie bisher in ihrem Leben erlebt habe, sagte sie.
Ich hatte schon von einigen Gästen im »Fuchsen« gehört, dass eine Wallfahrt eine geradezu berauschende Wirkung auf den Geist eines Menschen haben könne. Nun musste ich nur Simone anschauen, um zu erkennen, dass dies der Wahrheit entsprach.
Ständig hielt sie mich zum Beten an und sagte Gebete auf, die ich nachsprechen sollte. Immerzu wollte sie meine Hand in ihrer halten, die
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