Antonias Wille
»Ich weià tatsächlich etwas, was unserer Gemeinde fehlt und dem Pfarrer groÃe Freude bereiten würde â¦Â«
Kurze Zeit später war Simone aus dem Gespräch entlassen und Karl Moritz auf dem Weg nach Rombach.
Das Pfarrhaus lag zwischen der Kirche und dem Friedhof. Als Karl dort ankam, war es zwei Uhr nachmittags. Unterwegs hatte er den einen oder anderen Dorfbewohner gesehen, war aber nur selten stehen geblieben, um ein paar Worte zu wechseln. Bestimmt würde heute Abend das halbe Dorf rätseln, warum sich Karl Moritz nach so langer Zeit wieder einmal hatte blicken lassen. Als er den Türklopfer betätigte, hoffte er, den Herrn Pfarrer nicht aus seinem heiligen Mittagsschlaf zu reiÃen.
Auf dem Weg ins Tal hatte er sich einen Plan zurechtgelegt. Gleichzeitig ärgerte es ihn, dass er überhaupt gezwungen war, dem Pfaffen dermaÃen um den Bart zu gehen. Aber wenn es seinem Zwecke diente, sollte es ihm recht sein. Mit diesem Argument zwang er seinen Stolz in die Knie.
Als er im Haus Schritte nahen hörte, zog er noch einmal seinen alten, abgewetzten Gehrock zurecht, den er für diesenBesuch aus dem Schrank geholt hatte, und tastete in seinem Rucksack nach der Flasche mit dem Kirschwasser. Zehn Jahre lang war es gereift und rann die Kehle hinab wie Ãl. Nur das Beste für den Pfaffen, dachte er grimmig, als sich die Tür endlich öffnete.
»Eine Fahne für die Fronleichnamsprozession willst du spendieren, soso ⦠Und womit haben ich und meine Schäflein diese Ehre verdient?« Die Augen des Pfarrers verengten sich zu zwei schmalen Schlitzen.
Karl versuchte, sich seine Abneigung gegenüber dem Mann mit der krächzenden Stimme und dem feisten Gesicht nicht anmerken zu lassen.
»Nun, ich dachte einfach, dass es ein Jammer ist, dass Rombach für die Prozession noch immer keine Fahne besitzt. Wo doch in anderen Gemeinden an jenem Tag, an dem der Himmel für die Menschen weiter offen steht als sonst, nicht nur die heilige Eucharistie bei der Prozession durchs Dorf getragen wird, sondern auch noch prächtige Fahnen â¦Â«
Der Pfarrer runzelte die Stirn. »Woher willst du eigentlich wissen, was bei uns durchs Dorf getragen wird? Wenn ich mich nicht täusche, habe ich dich seit dem Tod deiner Martha nicht mehr bei uns gesehen.« Der Tadel in jedem einzelnen Wort war nicht zu überhören.
»Das stimmt, Herr Pfarrer. Aber mit meiner Gesundheit steht es nicht zum Besten, an manchen Tagen bin ich so krumm, da müsste mich schon einer den Berg hinuntertragen â¦Â«
Karl holte so tief Luft, dass er husten musste. Er zog ein Taschentuch aus dem Sack. Während er geräuschvoll hineinspuckte, verbarg er gleichzeitig ein Grinsen. Etwas war eingetreten, womit er nicht gerechnet hatte: Die Sache begann ihm Spaà zu machen.
»Aber ich habe mir jede Ihrer Predigten von meiner Enkelin Simone nacherzählen lassen. Und dann habe ich im Herrgottswinkel gebetet. Eine eigene Kapelle besitzt mein Hof ja leidernicht ⦠Jeden Sonntag, Gott ist mein Zeuge!« Bevor der Pfarrer zu einer Erwiderung ansetzen konnte, lenkte er das Gespräch wieder in seine Richtung.
»Auf solch einer Fahne könnte doch auf der einen Seite das Jesuskind abgebildet sein und auf der Rückseite unser Herr Pfarrer höchstpersönlich ⦠Ich dachte da an Stickereien mit goldenem Faden auf schwerer, doppelt gelegter Seide â¦Â«
Als Karl das Pfarrhaus wieder verlieÃ, war es acht Uhr abends. Die Flasche Kirschwasser war geleert, und Karl hatte dem Pfarrer versprochen, bei seinem nächsten Besuch gleich zwei Flaschen mitzubringen. »Auf einem Bein steht es sich schlieÃlich nicht gut, nicht wahr?«
Obwohl das Gespräch gar nicht schlecht begonnen hatte, entpuppte sich der Pfarrer doch als ziemlich störrisch. Als Karl endlich mit seinem Anliegen herausrückte, fehlte nicht viel, und der Kirchenmann hätte ihn in hohem Bogen hinausgeworfen. Aber Karl blieb stur. Immer wieder betete er den gleichen Sermon hinunter: Dass es ihm ein Anliegen sei, ein in Schande gefallenes Mädchen zu retten, und dass dieser Wunsch doch vor Gott seine Gnade finden müsse. Ob es am Kirschwasser lag oder an der Julihitze oder einfach an Karls Hartnäckigkeit â schlieÃlich wurden die Einwände des Pfarrers gegen eine solche Verbindung immer dünner. Doch umsonst war sein Segen keineswegs, und so hatte sich
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