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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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gerade einmal neunzehn Jahren, ein uneheliches Kind auf dem Arm, und heiratete einen Mann, der ihr Großvater hätte sein können. Und später saß sie am Kopfende einer Tafel, ihr Bräutigam neben ihr, und prostete fremden Leuten zu. Alles kam ihr so unwirklich vor! Sie lachte und scherzte mit den anderen, aber das war nur eine Fassade. So tief sie auch in sich hineinhorchte, sie konnte keine Gefühle entdecken – weder freudige noch traurige, weder erwartungsfrohe noch hoffnungslose. In ihr war alles so leer wie in einem ausgeräumten Keller. Karl, der wohl spürte, dass seine Braut nicht glücklich war wie andere an einem solchen Tag, nickte ihr immer wieder einmal aufmunternd zu, kümmerte sich aber nicht weiter um sie. Rosanna wusste nicht, was sie davon halten sollte. Wie sehr hätte sie sich jemanden gewünscht, dem sie ihr Herz hätte ausschütten können! Aber diesen jemand gab es nicht. Sowohl Claudine als auch Margret versteckten sich hinter einer aufgesetzten Fröhlichkeit, die Rosanna wehtat.
    Gegen Abend verabschiedeten sich die Gäste. Keiner machteeinen der üblichen Scherze, die Hochzeitsnacht betreffend. Margret bot an, noch zu bleiben und beim Abwasch zu helfen, doch Rosanna lehnte dankend ab. Sie war froh, etwas zu tun zu haben.
    Wie soll das jetzt alles nur weitergehen?, fragte sie sich, während sie bis zu den Ellenbogen in seifiger Lauge hantierte.
    Sie war jetzt verheiratet.
    Und Karl war ihr Ehemann.
    Kein schlechter Mann, im Gegenteil.
    Aber was nun?
    Unruhig warf sie immer wieder einen Blick in die Wiege, die sie in die Küche geschoben hatte. Doch Bubi, erschöpft von dem langen Tag ohne Mittagsruhe, war endlich eingeschlafen. Entspannt nuckelte er an dem Daumen seiner rechten Hand, seine Wangen waren leicht gerötet und ein seliger Ausdruck lag auf seinem Kindergesicht. Von ihm würde sie so schnell nichts mehr hören.
    Rosanna seufzte. Keine Ausrede also.
    Sie trocknete sich die Hände ab, nahm einen Schluck Wein aus dem Glas, das sie neben dem Spülstein abgestellt hatte, und atmete einmal tief durch. Nun würde sie zu ihrem Mann gehen.
    Karl saß in seinem Lehnstuhl in der guten Stube und rauchte eine Pfeife. Als Rosanna im Türrahmen erschien, winkte er sie zu sich.
    Â»Bist du auch so froh, dass wir es endlich hinter uns haben?«
    Mit einem leisen Ächzen nahm er seine Füße von dem kleinen Schemel, sodass Rosanna sich darauf setzen konnte. Doch sie hob seine Füße wieder auf den Schemel und zog sich stattdessen einen Stuhl heran.
    Â»Na ja, so schlimm war es nun auch wieder nicht«, antwortete sie mit gerunzelter Stirn. »Oder bereuen Sie … äh, ich meine, bereust du es etwa schon, mich geheiratet zu haben?«
    Karl sah müde aus und sehr alt. Unter seinen Augen lagendunkle Schatten. Zum ersten Mal kam ihr der Gedanke, wie anstrengend das ganze Unternehmen für den alten Mann gewesen sein musste. Ein Schwall von Zuneigung überflutete sie.
    Â»So ein Blödsinn!«, erwiderte er, doch seinen Worten fehlte die übliche Heftigkeit. »Ich …«
    Sein Blick verlor sich hinter ihrem Kopf.
    Rosanna schluckte. Plötzlich waren ihre Zweifel, ihre Ängste unwichtig geworden. Sie wollte etwas sagen, das die Traurigkeit aus Karls Blick verjagen könnte, doch ihr fiel nichts ein.
    Â»Ach, ich bin ein alter Depp!«, fuhr Karl fort, und der Ärger in seiner Stimme hörte sich für Rosanna beruhigend an. Doch schon in seinen nächsten Worten lag erneut eine traurige Nachdenklichkeit.
    Â»Ich hab vorhin daran denken müssen, welch großes Geschenk der liebe Gott mir gemacht hat, als er dich damals auf den Hof schickte. Jede Stunde, jeder Tag mit dir ist ein Geschenk! Aber dann denke ich darüber nach, wie es dir dabei geht. Du bist eine junge Frau, die sich ihr Leben bestimmt anders vorgestellt hat. Betrogen musst du dir vorkommen. Verraten und verkauft vom Schicksal. Habe ich dabei überhaupt das Recht, so glücklich zu sein?« Er blinzelte. Erschrocken registrierte Rosanna den Glanz von Tränen.
    Sie erhob sich, ging zu ihm und legte ihre Arme um seine Schultern.
    Â»Alles ist gut so, wie es ist«, murmelte sie, während sie Karl sanft hin- und herwiegte. »Du hast Recht, ich habe mir meine Zukunft anders vorgestellt. Damals, als ich schwanger war, glaubte ich, Zacharias und ich würden einmal … Aber der Mensch denkt, Gott

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