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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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lenkt – heißt es nicht so? Hast du schon einmal daran gedacht, dass Gott mir ein ebenso großes Geschenk gemacht hat? An dem Tag, als er mich an Kathis Stelle zu dir schickte? Ich bin froh und stolz, Frau Moritz zu sein, das ist die reine Wahrheit!« Sie atmete tief durch. Auf einmal fühlte sie sich ganz leicht. Sie gab ihrem Mann einen kleinen Klaps auf dieSchulter. »Und jetzt genug der trüben Gedanken. Es ist spät – sollen wir nicht zu Bett gehen? Es ist immerhin unsere … Hochzeitsnacht.«

30. November 1900
    Was in der Hochzeitsnacht geschah, blieb eine Ausnahme. Ich ging mit Karl in sein Zimmer, setzte ihn wie ein Kind aufs Bett und gebot ihm, dort sitzen zu bleiben. Dann zog ich mich aus. Erst die Schürze, dann den Rock, die Bluse, dann meine Unterwäsche, bis ich nur noch ein dünnes Leibchen anhatte. Karl wollte etwas sagen, protestieren, doch ich legte ihm den Zeigefinger an die Lippen. Sei still!, sagte ich stumm zu ihm. Und er schwieg. Wie er mich angeschaut hat! Als wäre ich eine schöne Statue, eine Göttin. Dann zog ich ihn aus und legte mich zu ihm ins Bett. Zuerst waren es nur meine Hände, die streichelten. Er lag stocksteif da, ich spürte, dass ihm unwohl war, aber ich machte weiter. Streichelte seine Brust mit dem grauen Pelz, streichelte seine Beine, mager und hart von der vielen Arbeit. Ich küsste ihn auch. Irgendwann spürte ich eine Hand auf meiner Brust. Ganz sanft, als handele es sich um etwas sehr Kostbares. Ich weiß, es hört sich dumm an, aber ich hätte in diesem Moment aufheulen können vor Freude.
    Diese Liebesnacht war mein Geschenk an Karl. Meine Art, danke zu sagen. Dass er diesen Dank angenommen hat, war für mich ein Beweis seines großen Vertrauens zu mir. Obwohl er es bestimmt ganz anders gemeint hat. Es war eine einmalige Sache, danach habe ich nie mehr bei ihm gelegen. Und er hat es auch nie mehr von mir verlangt.
    Den Wechsel von 1899 ins Jahr 1900 verbrachten Karl, Bubi und ich allein. Niemand kam zu Besuch, weder Claudine noch jemand von den anderen. Uns war das recht so. Wir bekamen nichts mit von den vielen großen Festen, die überall auf der Welt abgehalten wurden. Wir fühlten uns wie auf einer Arche Noah – sicher, geborgen, eine Familie.
    Im »Fuchsen« unten hatte es an Silvester ein großes Fest gegeben, von Elsbeth organisiert. Laut Simone war es ein sehr schöner Abend, »fast so schön wie zu der Zeit, als du noch bei uns warst«. Natürlich weiß ich, dass jeder Mensch entbehrlich ist, aber mit dieser Bemerkung versetzte Simone mir trotzdem einen Stich. Meine Hochzeit mit Karl lag damals noch keine zwei Monate zurück, und sie hatte mir immer noch nicht verziehen. Sie konnte oder wollte einfach nicht verstehen, was mich zu diesem Schritt bewogen hatte.
    Als unser Aufgebot in der Kirche bekannt gegeben wurde, hatte natürlich auch Franziska Zeter und Mordio geschrien, aber es nutzte ihr nichts. Es gab rein gar nichts, was sie Karls Willen hätte entgegensetzen können. Selbst der Pfarrer bestätigte ihr, dass Karl diese Entscheidung im vollen Besitz seiner geistigen Kräfte getroffen hatte – »und als guter Christ«, fügte er noch an. Ich weiß das, weil Simone ihre Mutter zu diesem Gang begleitet und mir später davon berichtet hat. Mir kam es damals so vor, als sei sie enttäuscht gewesen, dass ihre Mutter nichts hatte ausrichten können. Und so wurde ich zu Franziskas »Stiefmutter« …
    1900 begann als ein gutes Jahr. Der Winter verabschiedete sich relativ früh und mit ihm auch Karls Husten. Das Frühjahr war trocken und sonnig. Eine stille Zufriedenheit, wie ich sie noch nie zuvor empfunden hatte, machte sich in mir breit.
    Bubis ersten Geburtstag feierten wir bei strahlendem Sonnenschein und mit einer riesigen Schokoladentorte, die Claudine und Alexandre bei ihrem überraschenden Besuch mitbrachten. Es war die reinste Freude zuzusehen, wie Bubi auf seinen unsicheren Beinen versuchte, Claudines kleiner Tochter Claire nachzueifern, die eine Runde nach der anderen um die Festtafel drehte.
    Zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich Freunde: Claudine und Alexandre, Stanislaus Raatz, der einmal sogar seine Tochter Sieglinde mitbrachte, der Engländer und ein paar andere kamen immer wieder zu uns. Es waren längst nicht mehr nur geschäftliche Interessen oder »Gründe der Sicherheit«,

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