Antonias Wille
geglaubt, dass ich von einer Schankgenehmigung nichts wusste, dass es keine böse Absicht war, diese nicht einzuholen. Aber was hilft mir das? Auf die Frage, wie ich diese Genehmigung bekommen könne, hat er nur mit den Schultern gezuckt.
Simone war mir ebenfalls keine groÃe Hilfe. Kreidebleich stand sie da und zitterte am ganzen Leib, sodass ich befürchtete, sie würde jeden Moment umkippen. »Wer hat Sie denn ⦠informiert?«, wollte sie ängstlich vom Akziser wissen, worauf der natürlich keine Antwort gab. Mich würde es auch interessieren, wer mich angeschwärzt hat, aber über kurz oder lang wäre der Akziser wohl sowieso dahinter gekommen.
Am meisten ärgert mich, dass Simone mich nicht auf die Sache mit der Ausschankgenehmigung aufmerksam gemacht hat. Und von den Steuern, die man bezahlen muss, hat sie mir auch nichts gesagt. Sie ist doch in einer Wirtschaft groà geworden, da müsstesie sich eigentlich in solchen Dingen auskennen! Ins offene Messer hat sie mich rennen lassen, und das habe ich ihr auch gesagt. Was nutzt es mir, dass sie tausend Mal um Entschuldigung bat?
Ach, was soll denn jetzt nur werden? Mein ganzes Geld habe ich in die Vorbereitungen für das Hotel gesteckt. Und nun soll auf einmal alles umsonst gewesen sein? â¦
Alle hatten sich versammelt: Franziska Breuer, Zacharias, Elsbeth und Anton. Nur Gustav hatte man im Bett gelassen. Die beiden alten Breuers schliefen auch schon längst. Sie hatten zwar beim Abendessen das aufgeregte Getuschel und Gezischel zwischen den anderen mitbekommen, aber man sagte ihnen lieber nichts.
»Wie konntest du uns nur so hintergehen?«, schrie Franziska zum wiederholten Male. »Hinter unserem Rücken gemeinsame Sache mit dieser ⦠Hure zu machen! Ist dir deine Familie denn gar nichts wert?«
Simone saà mit verschränkten Armen am Kopfende des Tisches und schwieg. Sie hörte weder die Vorwürfe, die ihr von allen Seiten an den Kopf geworfen wurden, noch spürte sie die Ohrfeigen, die erst ihre Mutter und dann Zacharias ihr verpasst hatten. Sogar dass ihre Mutter Rosanna als Hure beschimpfte, ging an ihr vorbei.
Hass, rot und sengend und stärker, als sie ihn je gefühlt hatte, erfüllte sie.
Zacharias.
Er war der Verräter.
Er hatte ihrem geliebten Engel den Akziser auf den Hals gehetzt.
»Ich hab geglaubt, ich müsse tot umfallen, als die Gäste von ihrem âºwundervollen Essenâ¹ auf dem Berg erzählten! Kein Wunder, dass bei uns die Kasse leer bleibt, wenn sich die Leute woanders voll fressen!«, ereiferte sich nun auch Elsbeth. »Schlimm genug, dass dieses Luder überhaupt auf die Idee gekommen ist.Aber dass du sie dabei unterstützt ⦠Das kommt davon, wenn man dir immer alle Freiheiten lässt!«, fügte sie mit einem boshaften Seitenblick auf Zacharias hinzu.
Anton saà wie immer schweigend daneben. Er war damit beschäftigt, mit einem Zahnstocher das Schwarze unter seinen Fingernägeln zu entfernen.
Unter dem Tisch ballte Simone ihre Hände zu Fäusten. Wenn sie jetzt aufschauen und Elsbeths selbstgerechte Miene erblicken müsste, würde sie ihre Wut nicht mehr beherrschen können. Sie würde aufspringen und ihrer Schwägerin das Pferdegesicht zerkratzen. Und ihre Faust in Antons fetten Wanst rammen, bis ihm die Luft wegblieb und er röchelte wie eines seiner Schweine, das im nächsten Moment abgestochen wurde. Und Zacharias â den würde sie ⦠Simone schluckte, als sie erkannte, dass ihr keine Strafe einfiel, die ihrem hinterhältigen Bruder gerecht geworden wäre. Zum Teufel sollte er fahren! Die Hölle war gerade gut genug für ihn.
Zum ersten Mal hatte sie wegen ihres stummen Fluches nicht den Anflug eines schlechten Gewissens.
»Da tut man alles für dich, und wie dankst du es uns? Indem du dafür sorgst, dass Rosanna uns die Butter vom Brot nimmt!«, beendete Zacharias seine Tirade.
»Jetzt mach dich doch nicht lächerlich!«, platzte Simone heraus und erschrak sogleich. Aber nur im ersten Moment. So hatte sie noch nie mit ihm gesprochen. Und es fühlte sich gut an.
Sie wusste, dass sie gerade heute mit ihrem verschwitzten, wirren Haar und ihrem aufgesprungenen Gesicht besonders Furcht erregend aussah. Seit ein paar Tagen war ihre Haut so entzündet, dass keine Schminke der Welt die tiefen Furchen und Pusteln hätte verdecken können. Das
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