Antonias Wille
Simone nicht so einfach loswerden zu können.
»Heiraten tu ich nicht, das stimmt schon«, antwortete Simone gedehnt. »Aber â¦Â« Sie hielt die Luft an.
Tausend Mal schon hatte sie sich gefragt, wie es wohl wäre, wenn sie es der ganzen Sippschaft erzählte. Doch nun war es schwieriger, als sie es sich vorgestellt hatte.
»Was fliegt dir denn jetzt schon wieder für ein Furz durch den Kopf?«, fragte Franziska ärgerlich. »Langsam habe ich wirklich genug â¦Â«
»Aber es gibt dennoch einen Menschen, den ich liebe. Und der mich liebt«, unterbrach Simone ihre Mutter. Ein Summen erfüllte nun ihren Kopf wie der Gesang von Heerscharen von Engeln. Jetzt ⦠»Rosanna und ich sind nämlich ein Liebespaar. In ⦠jeder Beziehung. Und wenn ihr nicht wollt, dass alle Welt davon erfährt, dann müsst ihr mich auszahlen!«
Sie ergötzte sich derart an den offenen Mündern und den fassungslosen Augen, die ihr entgegenstarrten, dass der laute Knall erst in ihre Wahrnehmung eindrang, als Franziska schon ohnmächtig am Boden lag.
4. August 1902
Endlich ist wieder ein wenig Ruhe eingekehrt. Aber ich bin so erschöpft, dass mir heute am helllichten Nachmittag die Augen zugefallen sind. Nicht einmal in mein Tagebuch habe ich vor lauter Arbeit etwas eintragen können. Es hat mir gefehlt, das Schreiben. Aber mein Kopf war so voll und die Tage zu kurz für all das, was erledigt werden musste. Und als dann auch noch Simone auf einmal mit Sack und Pack vor meiner Tür stand ⦠Darauf war ich nicht gefasst gewesen.
Natürlich freue ich mich, dass sie hier ist. Ich bin gern mit ihr zusammen. Aber ich war auch nie unglücklich, wenn sie am Ende ihres Besuchstages wieder ging. Sie hat so eine Art ⦠Ich kann es nicht richtig beschreiben, aber manchmal habe ich das Gefühl, ich würde von ihr aufgefressen! Mit Haut und Haaren. Natürlich ist es schön, einen Menschen zu haben, der sich um einen sorgt und kümmert. Aber doch nicht unablässig!
AuÃerdem bin ich zwischendurch auch gern einmal allein. Das war nicht immer so, nach Karls Tod und vor allem nach Bubis Tod konnte ich das Alleinsein nicht ertragen. Doch ich habe es gelernt und genieÃe es inzwischen sogar. Vor allem frühmorgens, wenn auÃer mir noch keiner wach ist. Wenn ich das Feuer geschürt habe und vor die Tür in die Morgendämmerung trete, dann habe ich das Gefühl, die Welt gehöre mir allein!
Simone hingegen ist ein Morgenmuffel. Nun ja, jetzt lebt sie hier, und wir müssen irgendwie miteinander auskommen.
Wenn ich lese, was ich geschrieben habe, komme ich mir gemein und böse vor. Auch wenn die Breuers ein schrecklicher Haufen sind, so waren sie doch Simones Familie und Halt. Und nun hat sie sich wegen mir mit allen überworfen â für immer, wie es scheint. Einen solchen Schritt hätte ich ihr gar nicht zugetraut. Da lässt siesich jahrelang schlechter behandeln als das Vieh im Stall, und dann so etwas.
Ohne das Geld, das sie mitbrachte, hätte ich meinen Traum vom »Hotel Kuckucksnest« für immer beerdigen können. Das, was von meinem Geld übrig war, hätte vorn und hinten nicht ausgereicht, um Luise Margstätter ihre Schankgenehmigung abzukaufen.
Der Engländer hatte schon Recht, als er mich vor der alten Frau warnte: Sie lebt zwar noch abgeschiedener als ich, aber was den Wert der Wirtschaftsgerechtigkeit ihrer Hütte angeht, da wusste die listige Alte sehr wohl Bescheid! Einen ordentlichen Batzen habe ich dafür zahlen müssen. Aber im Grunde hat wohl nicht das Geld allein den Ausschlag gegeben. Da war sehr rasch eine Art Vertrautheit, eine seltsame Verbundenheit zwischen uns â¦
Ich glaube, den Besuch bei Luise Margstätter werde ich mein Leben lang nicht vergessen.
Der Engländer hatte mich zwar zu ihr geführt, aber er wollte nicht mit in die ehemalige Mühle hineingehen. Ich konnte es ihm nicht verdenken: Gegen die Margstätter-Hütte sind manche Köhlerhütten vornehm! Ein kleines hölzernes Hutzelhäuschen, ein Fels als Rückwand, das Dach geduckt unter einem Felsvorsprung, das Holz zu einem silbrigen Grau verwittert â von der ständigen Feuchtigkeit des tosenden Wasserfalls, der keine drei Handbreit daneben die Felsen hinabstürzt. Ich wollte mir erst gar nicht vorstellen, wie kalt und düster es dort im Winter sein muss.
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