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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Stimmung unter den Frauen ist manchmal recht trübe – und das ist ja kein Wunder. Ich versuche einerseits, meine Gäste so gut es geht von ihren Sorgen abzulenken, andererseits sind derzeit viele der üblichen Zerstreuungen einfach nicht passend – ich kann doch unmöglich einen Tanzabend veranstalten! Dafür gibt es aber Spielenachmittage für die Kleinen. Und Handarbeitsabende für die Frauen, an denen Socken und Schals für die tapferen Soldaten gestrickt werden.
    Die Stimmung unter den Gästen ist das eine Problem, ihre Versorgung ein anderes. Für Stanislaus wird es immer schwieriger, ausreichend Lebensmittel heranzuschaffen. Inzwischen muss selbst der kleinste Hof in unserer Gegend seine Erzeugnisse dem deutschen Heer zur Verfügung stellen. Ein Wunder, dass an uns noch niemand herangetreten ist. Aber außer Käse, Eiern und Schnaps produzieren wir ja ohnehin nichts. Noch sind die Tischerecht manierlich gedeckt, aber die Vielfalt von früher fehlt natürlich. Doch Not macht bekanntlich erfinderisch. Man muss sich halt etwas einfallen lassen, und deshalb gibt es zum Nachmittagskaffee – den hat Stanislaus Gott sei Dank aus einer seiner »geheimen« Quellen erst kürzlich wieder organisieren können – auch einmal Kartoffelkuchen. Oder eine schlichte Quarkspeise, dafür in hübschen Förmchen serviert.
    Das erinnert mich daran, dass ich noch die Speisekarte für den morgigen Tag zu »erdichten« habe. Und dann muss ich mir noch ein kleines Programm für den Nachmittag ausdenken.
    Wenn ich in den Zeitungen die Bilder von den jungen Soldaten mit den erwartungsfrohen Gesichtern sehe, muss ich oft an Bubi denken. Er wäre jetzt siebzehn. Ich glaube, ich hätte es nicht ertragen, wenn auch er in den Krieg aufgebrochen wäre. Zacharias’ Sohn hat sich letzte Woche freiwillig gemeldet, erzählte mir Simone. Mit gerade einmal sechzehn Jahren! Wie konnten die Breuers das nur zulassen? So gesehen bleibt mir einiges erspart … Aber kann das ein Trost sein? Nie und nimmer!
    Die Leere in meinem Herzen, die entsteht, wenn ich an Bubi denke, gehört zu mir wie meine Arme oder meine Beine …
    Es war später Abend. Als die Zahlen vor ihren Augen zu flackern begannen, schaute Simone blinzelnd von ihrer Buchhaltung auf. Sie gähnte herzhaft und streckte sich, dann beschloss sie, für heute Schluss zu machen. Morgen war auch noch ein Tag, und die Buchhaltung vom letzten Monat würde gewiss nicht davonlaufen.
    Sie war schon halb die Treppe hinauf, als aus dem Speisesaal Rosannas Lachen ertönte.
    Rosanna – sie würde doch nicht noch …
    Mit grimmig verzogener Miene trabte Simone die Treppe wieder hinunter.
    Heute war Jagdtag gewesen. Einst ein großes Ereignis, das für viele Städter den Höhepunkt ihres Urlaubs darstellte, war dieJagd nun zu einer überlebenswichtigen Unternehmung geworden. Wild bedeutete Fleisch auf dem Teller. Die Jagd wurde noch immer vom Jagdpächter Gmeiner angeführt, aber es nahmen statt der Gäste ausschließlich alte Männer aus dem Dorf teil, von denen der eine oder andere nur noch mit Mühe den steilen Bergweg hinaufkam.
    Dennoch hielt Rosanna an der alten Tradition fest, den Erfolg der Jagd am Abend mit allen Beteiligten zu feiern.
    Im Türrahmen des Speisesaals angekommen, räusperte sich Simone geräuschvoll. Als Rosanna aufschaute, winkte sie die Freundin zu sich.
    Â»Was gibt’s denn?«, fragte Rosanna seufzend. Ihre Wangen waren gerötet, ein paar Strähnen hatten sich aus ihrer Flechtfrisur gelöst, ihr Atem roch nach Alkohol. Der Blick, den sie Simone zuwarf, verriet Unmut und Irritation darüber, gestört worden zu sein.
    Â»Musst du eigentlich auf jeden Bock, der geschossen wurde, einen Schnaps mittrinken?«, zischte Simone der Freundin zu. »Du trinkst wie ein alter Bierkutscher und nicht wie eine Dame!«
    Rosanna lachte auf. »Ach Simone, seit wann bin ich eine Dame?« Sie tätschelte Simones Schulter wie die eines kleinen Kindes. »Du weißt doch, dass zu einer Jagd ein kleiner Umtrunk gehört. Ich kann die Leute nicht einfach sang- und klanglos nach Hause schicken! Du bist müde, also geh zu Bett! Bestimmt hast du wieder den halben Abend über den Zahlen verbracht.«
    Verärgert schaute Simone Rosanna nach, die ohne eine Antwort abzuwarten wieder zu ihrem Tisch ging. Ihre Rückkehr

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