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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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genommen und mich schluchzen lassen. Das tat so gut!
    So ist das mit Helmut: Bei ihm muss ich nicht immer die Starke sein, bei ihm darf ich schwach sein.
    Mein Leben lang musste ich gegen meine Schwächen ankämpfen, und dann kommt einer daher und macht mir so ein verheißungsvolles Angebot. Wie soll ich da Nein sagen? Wenn er mich anschaut, läuft es mir heiß und kalt über den Rücken, und ich habe Mühe, meine Hände bei mir zu behalten. Ich will ihn berühren, liebkosen … Und dabei muss ich mich doch zurückhalten! Der Gäste wegen und natürlich auch wegen Simone.
    Kann es sein, dass das Schicksal es wirklich so gut mit mir meint? …
    Ungeduldig schaute Simone auf die silberne Uhr, die an einem Lederband um ihren Hals baumelte. Jetzt reichte es! Nun war es schon fast halb neun, und Rosanna war noch immer nicht aus den Federn.
    Â»Kein Wunder, wenn man die halbe Nacht mit den Gästen durchzecht!«, brummte Simone vor sich hin. Ohne anzuklopfen stieß sie die Tür zu Rosannas Schlafzimmer auf.
    Â»Wie lange … Ach, die gnädige Frau ist schon wach?« Ironisch hob sie die rechte Augenbraue, während sich ihr Blick mit Rosannas im Spiegel traf.
    Langsam drehte sich Rosanna zu ihr um. Außer einem Unterrock hatte sie nichts an. In der linken Hand hielt sie eine karierte Bluse, in der rechten eine gestreifte.
    Â»Sag mal, erinnern die dich nicht auch an unsere Tischdecken?« Sie zog die Nase kraus, sodass sich kleine Fältchen darauf bildeten. Auf ihren blassen Wangen zeigten sich hektische rote Flecken. »Außer uns läuft doch hier niemand mehr mit so altmodischem Zeug herum …« Missbilligend warf sie die beiden Blusen aufs Bett und kramte in ihrem Kleiderschrank.
    Â»Es ist zum Aus-der-Haut-Fahren! Wohin ich auch schaue, alles ist entweder klein kariert oder verschlissen oder …«
    Abrupt wandte sie sich wieder dem Spiegel zu und trat noch näher an ihn heran.
    Â»Sag mal, findest du eigentlich, dass ich alt aussehe? Ich meine, ich bin neununddreißig, ich könnte schon Großmutter sein, und ganz so schlank wie einst bin ich auch nicht mehr …« Rosanna straffte den Stoff ihres Unterrockes, sodass sich um die Hüftgegend eine kleine Wölbung abzeichnete.
    Â»Nun sieh dir das mal an!« Sie brach plötzlich in Tränen aus, warf sich aufs Bett und vergrub ihren Kopf unter dem Kopfkissen. »Fett bin ich! Und alt!«, kam es dumpf darunter hervor. »Und ich habe nichts Rechtes anzuziehen.«
    Simone, die noch kein einziges Wort gesagt hatte, stand mit verschränkten Armen kopfschüttelnd im Raum. Gerade noch himmelhoch jauchzend, nun zu Tode betrübt – so war Rosanna schon seit geraumer Zeit. Und dann dieses eitle Getue! Das legte Rosanna an den Tag, seit …
    Wenn sie die Freundin fragte, was los sei, bekam sie stets eine ausweichende Antwort. Sie verheimlichte ihr etwas, das spürte Simone. Sogar ihr heiß geliebtes Hotel vernachlässigte sie zurzeit – und das wollte etwas heißen! Simones Blick verdunkelte sich.
    Â»Sag mal« , äffte sie die Freundin nach, »hast du sonst keine Sorgen? Doktor Steiert fachsimpelt schon den ganzen Morgen mit Gottlieb König über irgendwelche Heilkräuter, statt sich den Gästen zu widmen! Außerdem reist nachher der Winterhalter an, die Freifrau von Berg hat sich entschlossen, eine Woche länger zu bleiben, was bedeutet, dass wir Zimmer drei noch nicht wieder frei haben. Und das Telefon steht nicht still!«
    Das Kopfkissen wurde ein wenig gelupft. »Wer war denn dran?«, kam es gedämpft, aber doch mit gewissem Interesse. Im Gegensatz zu Simone, die noch immer jedes Mal erschrak, wenn das Telefon klingelte, war Rosanna in das Gerät regelrecht verliebt, seit die Leitung vor zwei Jahren gelegt worden war.
    Ã„rgerlich winkte Simone ab, ehe ihr einfiel, dass Rosanna sie ja gar nicht sehen konnte. »Wenn dich das interessierte, würdest du dich nicht hier verkriechen!«, erwiderte sie giftig.
    Das Kissen senkte sich wieder, und leises Schluchzen war darunter zu hören.
    Plötzlich drang Hufgeklapper und das Geräusch von Wagenrädern auf dem Kiesweg durch das geschlossene Fenster zu ihnen. Das war doch nicht etwa schon der berühmte Komponist Winterhalter? Und Rosanna stand nicht bereit, um ihn zu begrüßen? Und kein Zimmer war für ihn frei? Simone riss das Fenster

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