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Antonias Wille

Antonias Wille

Titel: Antonias Wille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Baum im Frühjahr am Ausschlagen hindern konnte, so sicher würde Gottes Zorn den Samen ihres Plans in ihr zum Wachsen bringen. Gott würde nicht zulassen, dass ein dahergelaufener Kerl Rosanna das Herz brach. Er würde ihr helfen.
    Laut sagte sie: »Wie schön sich das alles anhört! Diesen Helmut möchte ich unbedingt ein wenig näher kennen lernen.«
    Rosanna strahlte übers ganze Gesicht. »Wenn du wüsstest, wie mich das freut! Und Helmut ebenfalls. Er fragt nämlich sehr oft nach dir, weil du doch meine beste Freundin bist. Warum kommst du nachher nicht einfach mit? Wir wollen zum Engländer. Aber zuerst muss ich etwas zum Anziehen finden!«
    Und schon verschwand ihr Kopf erneut in ihrem Schrank, fuchtelten ihre Arme zwischen Röcken und Blusen herum, während Simone ihr mit versteinerter Miene zusah.

15. September 1919
    Es ist zehn Uhr abends. Helmut ist noch unten in der Bibliothek, er spielt mit einigen Gästen Karten. Eigentlich müsste ich auch noch unten sein, die Leute erwarten von mir, dass ich mich zeige. Aber ich habe mich leise aus dem Staub gemacht. Ich möchte ein wenig allein sein. Wie sehr genieße ich diese Momente, in denen die Zeit innehält und alles in einem perfekten Gleichgewicht zu sein scheint! Aber lange wird dieser stille Moment nicht mehr dauern – Helmuts Sehnsucht nach mir ist so groß, dass jede Minute, die er nicht mit mir verbringt, verschwendet ist, hat er gestern zu mir gesagt.
    Ist es da ein Wunder, dass ich manchmal das Gefühl habe, mein Herz würde vor lauter Liebe und Innigkeit erdrückt? Dann ziehe ich mich zurück – so wie jetzt. Aber kaum bin ich allein, verzehre ich mich danach, ihn unten in der Küche rumoren zu hören und kurz darauf seine Schritte auf der Treppe zu vernehmen. Wenn er gleich zu mir kommt, werde ich ein paar Keksbrösel von seinem Hemd wischen müssen und vielleicht auch von seinen Lippen. Helmut …
    Seine Angewohnheit, kurz vor dem Schlafengehen noch etwas Süßes zu verzehren, hat anfänglich in der Küche ganz schön für Aufruhr gesorgt. Als zum ersten Mal morgens ein Teller mit Keksen fehlte, verdächtigte Maria, unsere Köchin, einen Tag lang jeden des Diebstahls. Und obwohl alle den Verdacht heftig von sich wiesen, sperrte sie in der nächsten Nacht die frisch gebackenen Kekse, die eigentlich auf dem Tisch hätten auskühlen sollen, weg. Dafür fehlte am nächsten Morgen eine Schüssel mit Pudding. Und wieder ging das Spiel los: Wer von den Angestellten hatte nicht an sich halten können? Wer war so verfressen, dass ihm seine Ration nicht ausreichte? Dass jemand trotz unserer reichlich bemessenen Portionen nächtlichen Hunger verspürte, war Maria so sauer aufgestoßen, dass sie sich in der Nacht darauf auf die Lauer legte. Sie hat nicht schlecht gestaunt, als es ausgerechnet Helmut war, den sie auf frischer Tat ertappte! Schuldbewusst gestand er mir, dass er ohne einen gezuckerten Happen einfach nicht schlafen könne – eine alte Angewohnheit aus Kindertagen, als ihm die Mutter vor dem Schlafengehen stets eine Kamelle zugesteckt habe.
    Seit diesem Tag stellt Maria ihm sogar extra einen Teller mit Keksen oder einem Stück Kuchen hin. Helmut versteht es, die Menschen für sich einzunehmen. Jeder akzeptiert, dass er sich gern eine Extrawurst braten lässt – und die meisten sind sogar stolz darauf, ihm einen Gefallen tun zu dürfen, so wie Maria.
    Ich frage mich, warum ich Helmuts kleine Marotte in solcher Ausführlichkeit schildere. Vielleicht, weil dies zeigt, wie sehr er schon Teil des Moritzhofes geworden ist. Wie sehr wir uns schon an ihn gewöhnt haben! Alle mögen ihn, sogar Simone. Er ist aber auch unendlich freundlich zu ihr! Ich glaube, das tut ihr richtig gut.
    Nun sitze ich hier in seinem Zimmer am offenen Fenster, die Nacht ist lau, der Mond scheint herein, er ist blass, verhangen, als habe er sich ein dünnes Kittelchen übergezogen. Unter dem ersten herabfallenden Laub rascheln ein paar Mäuse. Von Süden her weht ein warmer Wind, wie in einer schwülen Sommernacht, in der die Gewitter schon hinter der nächsten Bergkuppe lauern. Dabei haben wir bereits Mitte September! Die Natur kann machen, was sie will. Und wir Menschen?
    Je älter ich werde, desto weniger verstehe ich das komplizierte Teppichmuster, das unser Leben ausmacht. An jeder Ecke steht jemand und

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